Wir sind alle verdächtig… (Update)

Irgendwie fällt mir immer noch nix ein zur Kreditkarten-Rasterfahndung. Wer es noch nicht mitbekommen hat: das LKA Sachen-Anhalt hat bei allen Kreditkartenfirmen angefragt, welche Kunden in einem festgelegten Zeitraum auf ein verdächtiges Konto im Ausland eine bestimmte Summe gezahlt haben. Es ging um den Vertrieb von Kinderpornos. Und sie haben nicht nur angefragt – sie haben die entsprechenden Daten bekommen. Das bedeutet die Zahlungen von 22 Millionen Kreditkartennutzern in Deutschland wurden nach diesen Zahlungen durchsucht und gefiltert. Und das Ergebnis? Bisher 322 Verdächtige.
Und was beweist das? Genau das, was Datenschützer schon immer gesagt haben: sobald Daten irgendwo erfasst werden kommt auch jemand an und will sie nutzen. Und wenn jemand mit Hinweis auf Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung oder nur die Grundrechte versucht dagegen zu argumentieren, dann wird einem gleich unterstellt, man wolle nur Terroristen und Straftäter schützen. Kinderpornos sind da auch immer ein beliebtes Totschlagargument.
Glaubt noch irgendjemand ernsthaft daran, dass wir uns nicht auf dem Weg in einen totalen Überwachungsstaat befinden? Die Überwachung und Kontrolle hat heute schon ein Ausmaß erreicht von dem die Stasi nur träumen konnte. Überall werden wir gefilmt und kontrolliert, es werden Daten gesammelt und zusammen geführt. Fast schon traurig dabei ist, dass zum Beispiel Geldautomaten längst nicht flächendeckend überwacht werden, dort hängen oft nur Attrappen rum – was offenbar der Typ wusste, der Andreas Geldbeutel geklaut hat – immerhin hat er für seinen Versuch mit ihrer ec-Karte die halbe Stadt durchquert. So wissen wir zwar, dass er dort zwei mal mit einer falschen PIN versucht hat Geld abzuheben (Tipp: wenn Eure Bank Euch erlaubt, einen eigenen PIN zu verwenden, dann nehmt nicht das Geburtsdatum g) und wenn die Kamera an dem Automaten echt gewesen wäre, dann hätte die Polizei auch ein Bild von dem Typen bekommen…
Aber dafür wird unsere Kommunikation immer mehr überwacht – noch geht es “nur” um die Verbindungsdaten (wer hat wann mit wem kommuniziert), aber wie lange noch bis gleich mal vorsorglich alle Telefongespräche mitgeschnitten werden sollen? Alles im Namen der “Sicherheit” – komisch nur, dass immer mehr Menschen sich mit dieser Art der “Sicherheit” immer unsicherer fühlen. Wer weiss denn schon genau, welche Daten jetzt wirklich überall gesammelt werden? An wen sie weiter gegeben werden? Wer sie zusammen führt und auswertet? “Freiheit statt Sozialismus” – vor 30 Jahren hat die CDU damit Wahlkampf gemacht (und die FDP hat den Spruch wieder ausgegraben). Heute wäre eher “Freiheit statt Sicherheit” angebracht…

Interessant sind bei Udo auch die Kommentare, er schreibt dort u.a. über ein Gespräch mit einem früheren Kollegen, der heute bei einem Kreditkartenladen arbeitet:

In seinem Laden gab es heute schon eine Krisensitzung. Da hat keiner damit gerechnet, dass die Politik den kleinen Dienst jetzt als Riesenerfolgsmeldung und Pioniertat in die Presse tragen wird. Der verantwortliche Hausjurist soll seinen Kopf schon unter dem Arm tragen.

Man fürchtet um nichts weniger als um das Geschäftsmodell. Denn wenn der Kunde damit rechnen muss, dass jede seiner Buchungen künftig durch Polizeiraster läuft, wird er im Zweifel online lieber gar kein Geld mehr ausgeben, damit er nicht an falsche Anbieter gerät. Könnte ja sein, dass eine Firma legale und illegale Pornos vertreibt, aber denselben Billingcode nutzt. Könnte ja sein, und wer will schon ständig morgens um 7 Polizisten erklären, dass er “nur” normale Pornos lädt?

Ach ja: was glaubt Ihr, wie lange es dauert, bis auf Zahlungen an einen russischen Anbieter von Online-Musik geprüft wird? Zwei Wochen? Zwei Monate?

Update: ach ja, es war ja gar keine Rasterfahndung. Warum? Nun, da die Behörden nicht alle Daten selbst nach den Kriterien durchsucht haben, sondern das Suchen den Kreditkartenfirmen überlassen haben… ja, nee, ist klar…