Meinungsfreiheit, Strafanzeige und 800 Euro Schadenersatz [Update]

Da gab es vor gut einem Jahr mal einen Politiker, der meinte, er könne diskriminierende Aussagen über Homosexuelle tätigen und das wäre dann nicht diskriminierend, weil er ja dazu schrieb, er wolle damit nicht diskriminieren und er würde nur von seiner Meinungsfreiheit gebrauch machen. Außerdem müssten ja die Kinder vor den Homosexuellen geschützt werden. Tja, ich schrieb dann in mein kleines Weblog, dass ich ihn, wie alle homophobe Menschen, für Arschlöcher halte, ohne ihn oder diese damit beleidigen zu wollen – ist halt meine Meinung.

Tja, zwischenzeitlich hat dieser Mensch seine Aussagen gelöscht und scheinbar braucht er jetzt dringend Geld, denn er hätte gerne bis Montag von mir 800 Euro Schadenersatz, weil ich ihn beleidigt hätte mit der Aussage, dass ich ihn für ein Arschloch halte. Dabei habe ich doch ausdrücklich dazu geschrieben, dass das nicht beleidigend sein soll, sondern nur meine Meinung ist. Ansonsten will er mich „ohne jede weitere Mitteilung“ verklagen. Dabei waren das doch seine von ihm aufgestellten Regeln: Etwas ist nicht diskriminierend, wenn man dazu schreibt, dass man nicht diskriminieren, sondern nur die eigene Meinung sagen wolle. Dann kann ja auch nichts beleidigend sein, wenn man dazu schreibt, dass man nicht beleidigen, sondern nur die eigene Meinung sagen wolle.

Ehrlich: Keine Ahnung wie das ausgeht, 800 Euro habe ich natürlich nicht übrig – wer hat das schon – aber dafür habe ich in den letzten Jahren so ein paar Anwälte kennen gelernt, die recht fit sind. Die bekommen für ihre Arbeit natürlich auch Geld, keine Frage, aber die haben sich dann jeden einzelnen Euro erarbeitet und verdient.

Ist ja nicht so, dass ich an so einem Blogbeitrag hänge und selbst wenn jemand so eine Scheiße erzählt und irgendwann wieder löscht und einfach mal fragt, ob man die Sache nicht vergessen könne, dann bin ich der Letzte, der so was ablehnt. Ehrlich, ich habe schon unzählige Kommentare von Menschen gelöscht, denen später peinlich war, was sie geschrieben hatten – warum auch nicht. Und auch schon auf Bitten von betroffenen Menschen ein paar Blogbeiträge von mir gelöscht oder anonymisiert. Man kann ja mit mir reden.

Aber anzukommen mit Strafanzeige, 800 Euro fordern und mit Zivilklage drohen? Nö, auf solche Spielchen habe ich keinen Bock… Zwar lasse ich da jemandem für mich das Spiel mit spielen – geht ja nicht anders – aber Spaß macht so was nicht. Den beanstandeten Blogbeitrag habe ich dann auch mal offline genommen. Ob nun wirklich ein Unterlassungsanspruch besteht oder nicht weiß ich nicht und ich bin auch kein Jurist, aber wie geschrieben: Ich hänge da nicht dran und ich kann nachvollziehen, dass der gute Mann es nicht so toll findet, wenn seine homophoben und diskriminierenden Äußerungen noch im Netz zu finden sind, obwohl er sie selbst gelöscht hat  (und wer weiß, vielleicht denkt er gar nicht mehr so? Keine Ahnung). Deswegen habe ich den Blogbeitrag offline genommen, ohne irgendeinen rechtlichen Anspruch anzuerkennen – sondern einfach nur, weil ich ein netter Mensch bin.

Ach egal, ich kümmere mich jetzt mal um einen Anwalt, der sich um die Sache kümmert und überlege mir für den schlimmsten Fall, ob ich nicht irgendwo bepfandete Getränkebehälter im Wert von 800 Euro gebunkert habe… 😉

Update: Ich möchte direkt jedem danken, der sich angeboten hat, mich im Falle eines Falles finanziell bei der Sache zu unterstützen. Möglicherweise würde ich darauf zurück kommen, wenn es notwendig wird, aber mir widerstrebt tatsächlich der Gedanke daran Geld zu sammeln, um es dann so jemandem zu geben… Aber allen, die es angeboten haben oder anbieten wollen: Danke 🙂

Update 02.07.2015: Mein Anwalt Udo Vetter hat dem guten Mann inzwischen geantwortet. Und wer Udos Weblog kennt, der weiß, dass die Antwort durchaus unterhaltsam zu lesen ist. Ich fasse die Antwort auf die 800-Euro-Forderung mal kurz und unjuristisch zusammen: Vergiss es!

Update 28.10.2015: Zwischenzeitlich hat die Polizei dann mal die Strafanzeige bearbeitet, Udo hätte da gerne Akteneinsicht, die bislang aber noch nicht gewährt wurde. Okay soweit. Aber dann kam jetzt auch noch die Klage, die die bekannten Vorwürfe enthält, mir nebenbei noch unterstellt irgendwelche Content-Klau-Seiten zu betreiben oder Accounts dort zu haben usw. Ach ja, es werden jetzt auch „nur“ noch 750 Euro Schmerzensgeld gefordert. Ich soll natürlich auch die Kosten des Verfahrens tragen und – jetzt wird es lustig – den Beitrag entfernen. Nun, letzteres hatte ich ja schon nach dem ersten Brief des Herren getan, wie ich schon erwähnte: Mein Herzblut hing und hängt an diesem Beitrag nicht. Was ich lustig finde: Der Herr behauptet, erst im Juni dieses Jahres Kenntnis von meinem Blogbeitrag erhalten zu haben. Ich bin mir jedoch sehr sicher, dass der Link mindestens einmal als Kommentar zu einem der Beiträge des Herren auf Facebook im letzten Jahr gepostet wurde. Hätte ich da mal einen Screenshot gemacht. Egal. Udo wird jetzt eine Klageerwiderung schreiben, dann mal schauen, was das Gericht sagt. Als könnte man die ganze Zeit nicht sinnvoller nutzen…

0 Comments

Jimmy Idle

Das ist schon ganz clever. Vielleicht zahlt Carsten ja sofort oder läßt sich auf einen Vergleich ein. Ist doch ne anerkannte Abzockermasche …die dieser Affe vielleicht auch für sich entdeckt hat … Achso …und … Affe ist nur meine Meinung. Ich möchte diese Tiere nicht diskriminieren.

Ina Marie Meyer

Schadenersatz basiert nicht auf einem Urteil, sondern der Anspruch ergibt sich entweder aus Gesetz oder Vertrag. Insofern kann er fordern – ob ein Richter dann auch in seinem Sinne entscheidet und die Rechtslage ebenso beurteilt wie er, ist eine andere Frage.

Carsten Dobschat

Ich sag mal so: Um Schadenersatz zu fordern muss erstmal ein Schaden eingetreten sein und der muss auch belegt werden. Und ich wage es zu bezweifeln, dass es dem guten Mann geschadet hat, dass so ein kleiner Krawallblogger ihn für ein Arschloch hält (und ausdrücklich darauf hinweist, dass das keine Beleidigung, sondern eine Meinung ist), wenn doch unter seinem Namen gefühlte zwölf tausend Beiträge gefunden werden, in denen dokumentiert ist, welche homophobe Kackscheiße er da abgesondert hat. Der müsste sich höchstens selbst Schadenersatz (jetzt hätte ich fast Schandenersatz geschrieben ;)) zahlen, denn geschadet hat ihm nur, was er selbst gepostet hat.

Alex Lacroix

Ja, ich kann auch hingehen, und gegenüber jemand X-beliebigen behaupten, dass er mir 1million € schuldet und auf Zahlung bestehen.
Ein Anspruch ergibt sich aber erst immer dann, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Und ob dem so ist, kann ein X-beliebiger Mensch (gottseidank) eben NICHT rechtsverbindlich feststellen.

Ina Marie Meyer

Im vorliegenden Fall ist weder Schadenslage noch Anspruch unproblematisch festzustellen, aber natürlich kann ein Schadenersatzanspruch be- und entstehen ohne richterlich festgestellt zu sein und das kann auch ein x-beliebiger Mensch sehen, prüfen und begreifen. Der Auszahlung muss somit keine richterliche Feststellung vorausgehen und es empfiehlt sich bei klarer Sachlage auch nicht, eine solche anzustreben, da dann auf den Schadenersatzpflichtigen auch die Gerichts – und Anwaltskosten zukommen. Aber natürlich steht es jedem frei, sein Geld dem Juristen seiner Wahl in den Rachen zu werfen. ich begrüße das ausdrücklich.

Jesberger Patricia

Vertritt der gute Herr sich selber? Man sollte den AKK Weg waehlen und ihn seinerseits… Für den homophoben Kram, den er beleidigend abließ… Zweierlei Maß für den Mann??

Philippos Philosophos

Es ist völlig normal, eine (vermeintliche) Forderung erst einmal außergerichtlich geltend zu machen. Das sollte man als Anwalt (und auch als Privatmann) sogar in den allermeisten Fällen machen, sonst kann der Schuldner nämlich sofort anerkennen vor Gericht und die Gerichtskosten und die des Beklagten für dessen Anwalt sind dann in den allermeisten Fällen wie die eigenen Kosten vom Kläger zu tragen. Außerdem setzt so ein Brief den (vermeintlichen) Schuldner in Verzug.

Carsten Dobschat

Zumindest tut er das bislang. Und es ist doch nichts neues, dass manche Menschen der Meinung sind, für sie würden andere Maßstäbe gelten als für alle anderen. Er darf natürlich der Meinung sind, dass Homosexualität wieder strafbar sein sollte und dass man Kinder vor Homosexuellen schützen müsse. Diese Aussagen sind seiner Meinung nach nicht diskriminierend, weil er dazu schreibt, dass er niemanden diskriminieren wolle. Aber andere dürfen nicht der Meinung sein, dass er ein homophopes Arschloch ist, selbst wenn sie ausdrücklich dazu schreiben, dass das nicht beleidigend gemeint ist.
Und dann frage ich mich noch: Angenommen er hätte einen Anspruch auf Unterlassung, auf den er ja hinweist, warum fordert er mich dann nicht zur Unterlassung auf, sondern nur dazu zu zahlen? Würde das bedeuten, dass ihm die vermeintliche Beleidigung egal ist, so lange ich nur zahle? Alles sehr seltsam…

Stefan Fragga

Ich bin juristisch nicht so fit, aber kann man sowas nicht als Erpressung ansehen???
Für mich sieht das so aus wie z. B. Ich habe hier peiniche Fotos von dir, entweder du zahlst bis Montag oder ich lasse Sie veröffentlichen.
Kann man das so als Vergleich sehen???

Kira Elisabeth

Also ich kenne mich juristisch ein wenig aus, und meiner Meinung nach ist das, was er da schreibt ziemlich Schwachsinn.

Erstmal gibt es keinen Paragraphen 823 II im StGB, er meint wahrscheinlich BGB. Das ist schon mal ein Formfehler.
Paragraph 185 StgB sagt nur das eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe im Falle einer Beleidigung geltend gemacht werden kann, definiert aber nicht was eine Beleidigung ist.

Mit Paragraph 1004 BGB schießt er sich selbst ins Knie, da Paragraph 1004 II BGB aussagt dass der Unterlassungsanspruch wegfällt wenn die Person zur Duldung verpflichtet ist. Und das ist er dadurch, dass er a) eine Person des öffentlichen Lebens ist und b) man jemanden, diskriminierende Aussagen tätigt durchaus als Arschloch bezeichnen kann. Vergleiche Präzedenzfall, nachdem ein Arbeitnehmer seinen Chef als Idioten bezeichnen durfte, da dieser sich dementsprechend verhalten hat

Zudem steht es dem Herrn nicht zu einfach nach Gutdünken eine Schadensersatzhöhe festzulegen, da erstmal nach Paragraph 823 II BGB nachgewiesen werden muss, dass du ihn wirklich beleidigen wolltest (Verschulden), was du ja eindeutig gesagt hast, das du nicht wolltest und da weder Leib noch Leben des Herren bedroht sind greift der Schadensersatz paragraph nur dann wenn tatsächlich Schaden entstanden ist, wo die Beweislast erstmal bei ihm liegt

Außerdem bist du nach Art 5 GG geschützt

Ganef Unterweltbarde

Ich finde, er soll sich dafür verantworten. Es ist eine Pflicht, die Sache vor Gericht zu bringen. Abgesehen von der Möglichkeit Anwaltskosten vom Gericht zu sichern (rechtsbeistandbeihilfe) würde dir raten, Spenden dafür zu sammeln. Und die Ratte so richtig groß selbst zu verklagen!

Carsten Dobschat

Finanzielle Unterstützung bei der Sache wurde mir schon von mehreren Seiten zugesagt, aber ich hoffe sie nicht zu brauchen. Ich habe nicht vor gegen den zu klagen, mir ist das alles den Aufwand nicht wert. Er bekommt jetzt Post von meinem Anwalt und alles weitere wird sich zeigen…

Sebastian Gragnato

Jetzt wäre die Möglichkeit mal zu sagen welcher Quatschkopf von diesem Möchtegern Volksvertreter war das möglicherweise gibt es einige Menschen in seiner Umgebung die ihm dafür emal an den Kopf klatschen wollen um ihm mal zu zeigen das gerechtigkeit auch handfest werden kann 😀 Ich wünsch dir viel Glück ein Richter wird lachen wenn er das sieht ich würde sogar jetzt wegen erpressung eine Gegenanzeige schalten oder zur Polizei gehen! haha Use the System

Homophobie, Diskriminierung, Beleidigung und das Gericht

[…] später mehr) verschwand Hans-Peter in der wohlverdienten Versenkung. Bis zum Juni diesen Jahres. Da bekam ich Post von diesem Herrn, in der er mir eine Strafanzeige ankündigte und mir mit einer Klage drohte, falls ich ihm nicht […]