Vielleicht hat es sich noch nicht rumgesprochen, aber die IT am Kammergericht in Berlin wurde durch einen Virus lahmgelegt. So was kann natürlich passieren, denn nichts ist sicher in der IT außer der Tatsache, dass nichts absolut sicher ist. In diesem speziellen Fall war aber offenbar etwas sicher, nämlich die Tatsache, dass es zu so einem Vorfall kommen würde.
Im Tagesspiegel kann man nachlesen, dass das Kammergericht „bereits“ 2017 gewarnt wurde, dass sie ihre teilweise noch unter Windows 95 laufenden Systeme dringend ersetzen müssen.
Für die Jüngeren: Windows 95 kam am 24. August 1995 auf den Markt und Microsoft hat die Unterstützung für das System Ende 2001 eingestellt. Am Kammergericht liefen also noch Systeme produktiv, die vom Hersteller seit über 15 Jahren nicht mehr unterstützt wurden und selbst zu diesem Zeitpunkt, nach einer deutlichen Warnung vor der weiteren Nutzung dieses Systems, haben die IT-Verantwortlichen am Kammergericht immer noch nicht gehandelt.
Laut dem Tagesspiegel scheint die Ursache für diesen Crash eine Mischung aus Inkompetenz und fehlender Zusammenarbeit zu sein:
Unklar ist, warum der Appell bis heute folgenlos blieb. Insider vermuten, dem Kammergericht fehle die für die Umstellung nötige Expertise. Das für die IT der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständige Dezernat ITOG wird von Beobachtern als wenig kompetent beschrieben. Zwischen ITOG und dem für die IT-Dienstleistungen des Landes zuständigen ITDZ soll ein eisiges Verhältnis herrschen.
Der Tagesspiegel
Wie eisig muss so ein Verhältnis sein, wie wenig kompetent müssen die Verantwortlichen in den zuständigen Abteilungen sein, dass es dazu führt, dass man seit über 15 Jahren veraltete und vom Hersteller nicht mehr unterstützte Software weiterhin einsetzt und auch noch ans Internet hängt? Meiner Meinung nach ist das kein Fehler und auch nicht durch Fahrlässigkeit zu erklären, das grenzt an Sabotage.
Ich habe auch schon Vorgesetzte im IT-Bereich erlebt, die sich durch ihre Inkompetenz nicht davon abhalten liessen, Entscheidungen zu treffen, die bestenfalls als nicht besondern schlau bezeichnet werden konnten. Egal, wie viele in dem Bereich kompetente Menschen ihnen ausführlich erklärten, warum das eine dumme Entscheidung wäre. Solche Menschen gibt es und so lange ihnen die Entscheidungen nicht um die Ohren fliegen, behalten sie ihren Job. Und oft retten solchen Vorgesetzten genau die Mitarbeiter den Arsch, die sich selbigen aufreissen, um die Probleme aus Fehlentscheidungen gerade zu biegen, auf die auch danach nicht gehört wird.
Es ist ja nicht so, als hätte es für das Thema keine Lösungen gegeben, selbst wenn man die alte Anwendung weiter betreiben muss und nicht „gleich“ komplett auf ein neues System migrieren kann. So ganz spontan: Es gibt nicht erst seit gestern virtuelle Maschinen, die man ziemlich gut vom Restsystem und dem Netzwerk isolieren kann. Sicher keine optimale Lösung, aber allemal besser als Windows 95 Rechner scheinbar offen am Internet hängen zu lassen.
Und dann kommt da ja noch die politische Seite dazu. So ein Kammergericht ist kein Privatunternehmen, die arbeiten da mit Steuergeldern, also dem Geld von uns allen. Es mag hier im Vergleich zu anderen Baustellen (BER, S21, PKW-Maut…) um vergleichsweise kleine Summen gehen, keine Frage. Aber die ganzen Kosten, die hier entstanden sind und noch entstehen, sind wohl die Folge davon, dass eine ganze Reihe von Menschen ihren Job nicht gemacht haben. Waren möglicherweise alle in dem Glauben, dass sie im Team arbeiten: Toll, ein anderer macht’s! Wer hatte denn 2017 alles dieses Gutachten gesehen? Da müssen doch selbst bei Menschen, die mit IT sonst gar nichts am Hut haben, alle Alarmglocken geklingelt haben, wenn man da liest, dass noch Windows 95 im Einsatz ist.
Aber offensichtlich gibt es in unserem Land noch viel zu viel Geld, das man für irgendwas aus dem Fenster schmeissen kann, nur nicht für sinnvolle Dinge… ??♂️
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