Zur jetzt beschlossenen Vorratsdatenspeicherung sollte mir doch eigentlich was einfallen. Mir fällt aber wirklich nichts mehr ein. Macht irgendwie sprachlos, dass der von uns gewählte Bundestag offensichtlich mehrheitlich auf die Propaganda paranoider “Sicherheitsfanatiker” hereingefallen ist – oder sind die Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU/SPD einfach nur zu feige, um mal gegen die eigene Fraktion zu stimmen? Zählt der “Fraktionszwang” für die mehr als ihr Gewissen? Oder glauben die tatsächlich, dass wir ein Volk von potentiellen Terroristen sind, das man wo es geht schon mal vorsorglich überwachen muss? Glauben die vielleicht sogar die gequirlte Kacke von Frau Zypries, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur bedeuten würde, dass man den Bürger informieren müsse, wer was über ihn speichere?
Hallo Frau Zypries, haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, was das für andere Rechtsgüter bedeuten würde, wenn Ihre seltsame Interpretation vom “Recht auf Selbstbestimmung” stimmen würde? Zum Beispiel für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung?
Man kann ja schauen, wie welcher Abegordnete abgestimmt hat (via netzpolitik.org) und das habe ich mal für meinen Wahlkreis Saarbrücken getan:
- Elke Ferner, SPD – Ja
- Dr. Karl Addicks, FDP – nicht abgestimmt
- Anette Hübinger, CDU/CSU – Ja
- Oskar Lafontaine, DIE LINKE. – nicht abgestimmt
Einen Abgeordneten der Grünen gibt es für diesen Wahlkreis nicht, wäre wohl nicht schlecht, wenn sich das bei der nächsten Bundestagswahl mal ändern würde. Mal schauen, vielleicht schreibe ich auch den Abgeordneten. Frau Ferner und Frau Hübinger kann ich fragen, was sie sich dabei gedacht haben (oder sollte ich lieber fragen, ob sie dabei…) und den Herren Addicks und Lafontaine könnte ich die Frage stellen, was denn wichtiger war, als gegen die VDS zu stimmen. Aber ich rechne nicht wirklich mit einer Antwort.
Bleibt also zu hoffen, dass Gerichte den Mist wieder in Ordnung bringen, den “unsere” Abgeordnete da gebaut haben. Aber inzwischen hören die Unsicherheitspolitiker ja nicht auf, sich neuen Mist auszudenken und weiter an immer mehr Überwachung und Kontrolle zu arbeiten. Sei es der Bundestrojaner oder eine “Bundesabhörzentrale…
Du schrubst: “Aber ich rechne nicht wirklich mit einer Antwort.”
Sie werden antworten. Ich hab bisher noch auf jede Anfrage an einen Bundestagsabgeordneten den passenden Formbrief erhalten.
Ohne irgendeine Einsicht in die Abläufe zu haben, stelle ich mir das so vor: im Büro des Abgeordneten sitzt ein Praktikant (oder eine Praktikantin), der liest eingehende Mails, führt dabei eine Strichliste mit den aktuellen Themen und wählt für das Antwortschreiben einen von der Fraktion dafür zur Verfügung gestellten Textbaustein aus. Das Schreiben kriegt der Abgeordnete zur Unterschrift vorgelegt (“Autogrammstunde”, damit man als Wähler auch das Gefühl hat, dass sich der Abgeordnete persönlich kümmert), dann wird’s ggf. eingescannt und an den “Bittsteller” geschickt.
Nach dieser Theorie wäre es also egal, ob man dem Abgeordneten ein Essay über die Risiken des Abbaus von Bürgerrechten schreibt oder sich auf die Aussage “Vorratsdatenspeicherung find ich irgendwie doof” beschränkt. Letzteres könnte sogar wirkungsvoller sein, weil der Praktikant das Thema leichter identifizieren kann.
Anhand der Strichliste versucht der Abgeordnete dann, das Thema von morgen zu identifizieren. Vorratsdatenspeicherung ist ein Thema von gestern, damit kann man sich jetzt nicht mehr profilieren.
Nichtsdestotrotz bin ich dafür, den Abgeordneten die Meinung zu sagen – mein Abgeordneter hat seit Freitag Post von mir. Und wenn es nur dazu gut ist, ihn für die drei Sekunden, die er zum Abzeichnen des Antwortschreibens benötigt, von Schlimmerem abzuhalten…
Do I sound bitter?
Gruß,
Marc
ja, diese Erfahrung habe ich auch gemacht. “Keine Antwort” ist also etwas unpräzise. “Keine brauchbare Antwort” wäre genauer gewesen…
Also, von unserer Justizministerin kann man jetzt nun wirklich nicht erwarten, dass sie sich mit dem ganzen Datenrechtsgedöns auskennt. Die arbeitet noch daran, den Begriff Browser ihrem Kenntnisschatz hinzuzufügen.
Das Protokoll habe ich übrigens auch SEHR genau studiert…
Ich bin auch ein Trottel… wie konnte ich nur annehmen, dass sich eine ausgebildete Juristen als Justizministerin noch ein wenig mit Recht und Gesetz auskennt Als Ministerin ist sie ja schließlich keine Juristin mehr, sondern nur noch Politikerin…
Glaub mir: je besser das juristische Staatsexamen und je höher der politische Aufstieg, desto weniger Ahnung.
Auf den für mich geltenden Umkehrschluss bilde ich mir durchaus was ein…