So ziemlich jeder, der nicht gerade mit Scheuklappen durch die sozialen Netze torkelt, dürfte von dieser Geschichte aus Berlin gehört haben: Da wurde groß getönt, eine 13jährige wäre entführt und 30 Stunden lang vergewaltigt worden. Angeblich. Und die Täter waren natürlich Ausländer, Asylbewerber. Natürlich. Laut Polizei gab es wohl weder die Entführung und auch keine Vergewaltigung. Das hinderte aber einen „Journalisten“ des russischen Staatssenders „Pervij kanal“ nicht einen mehr als reisserischen Beitrag zu basteln, in dem von einer „neuen Ordnung in Deutschland“ die Rede war und es hingestellt wurde, als wäre die Vergewaltigung eine Tatsache und die Polizei würde nichts unternehmen, weil die Täter Asylbewerber wären. Im besten Fall könnte man das als Ente bezeichnen, treffender fände ich hier aber die Bezeichnung „übelste Propaganda“. Der Anwalt Martin Luithle sieht darin sogar einen Fall von Volksverhetzung und hat Strafanzeige gegen den Journalisten gestellt.
Ausführlicher kann man das alles bei der taz und beim rbb nachlesen. Soweit so normal: Irgendjemand erfindet eine angebliche Straftat durch Asylbewerber oder bauscht einen Vorfall entsprechend auf, viele Idioten teilen das quer durch Facebook… ungewöhnlich ist hier die Verbreitung dieser Hetze und Lügen durch einen russischen Staatssender, aber am Ende steht das, was fast immer auf solche Lügenhetze folgt: Eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung, in dem Fall eben gegen den „Journalisten“, der den Fernsehbeitrag gemacht hat.
Damit könnte die Geschichte mehr oder weniger am Ende sein, wäre da nicht die russische Botschaft, die gerade die Rolle des Bocks einnimmt, der Gärtner sein will oder die eines Veganers, der eine Metzgerei eröffnet. Ausgerechnet aus der russischen Botschaft wird nun also die Strafanzeige kritisiert und behauptet, dass es sich dabei um einen Angriff auf die Pressefreiheit handeln würde. Russland? Pressefreiheit? Ach ja, das Russland, das laut im Pressefreiheitsranking der Reporter ohne Grenzen auf Platz 152 von 180 steht? Ist klar…
Das alles ist so schon lächerlich genug, aber es gibt da ja neben „Russia Today“ noch weitere russische Propaganda-Plattformen Russlands im Ausland. Da wäre noch „Sputnik“, die ganz lustig über die Sache berichten: Anzeige gegen Reporter in Berlin – Russische Botschaft mahnt zu Pressefreiheit. Und von dort wird natürlich auch zu „Mutmaßliche Vergewaltigung von 13-Jähriger: Diplomat kritisiert Berliner Polizei“ verlinkt. Und dann schauen wir mal den Beitrag an, den „Sputnik“ ursprünglich geschrieben hatte: „Berlin: Minderjährige vergewaltigt, Polizei tatenlos“.
Halten wir also fest: Ein russischer Staatssender sendet einen hetzerischen Beitrag, in dem Gerüchte als Tatsachen verkauft und Deutschland als ein Land dargestellt wird, in dem Mädchen und Frauen quasi regelmäßig von Asylbewerbern vergewaltigt werden und die Täter strafrechtlich nicht verfolgt würden. Und ausgerechnet Russland bzw. die russische Botschaft sieht sich dann in der Position, die deutsche Polizei zu kritisieren und die Einhaltung der Pressefreiheit in Deutschland anzumahnen? Ehrlich jetzt? Ein Veganer will mir also erzählen, wie ich ein Steak zu braten habe? Keine Frage: Es ist bei uns nicht alles perfekt, weder in Sachen Pressefreiheit noch bei der Polizei. Es gibt überall und immer Probleme. Aber im Vergleich zu Russland steht Deutschland in Sachen Pressefreiheit und Gewaltenteilung als reinster Musterschüler da. Wenn es nicht so traurig wäre, dann möchte man sich ausschütten vor Lachen.
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