Politiker und Klischees…

Wenn man einen Politiker was fragt darf man keine einfache Antwort erwarten – so sagt man. Aber es ist schon was dran. Was habe ich getan? Ich habe mal die Bundestagsabgeordneten aus Saarbrücken per eMail gefragt, ob sie gedenken der Vorlage zur Reform des Urheberrechts in der aktuellen Fassung zuzustimmen. Eine einfach Frage, die man kurz und schmerzlos mit Ja oder Nein beantworten könnte. Man kann aber auch zweieinhalb Seiten schreiben, ohne auf die eigentliche Frage einzugehen…
Es bringt zwar nix, aber ich habe Frau Hübinger doch mal eine Antwort geschrieben:

Sehr geehrte Frau Hübinger,

ich bin erstaunt – zweieinhalb Seiten Text als Antwort auf eine einfache Ja-/Nein-Frage. Und diese zweieinhalb Seiten Text enthalten nicht mal deutlich die Antwort, aber man kann die Antwort heraus lesen: Sie halten die Novelle des Urheberrechts also für richtig. Schade, dass Sie mir in Ihrem Schreiben gleich noch illegales Downloaden unterstellen, aber bevor ich dazu komme: ich werde dieses Schreiben – und auch eine eventuell darauf folgende Antwort – auch in meinem Weblog (https://www.dobschat.de/archiv/weblog/) veröffentlichen.

Nun zu Ihrem Schreiben und Ihren Aussagen darin. Im ersten Absatz schreiben Sie: “Dabei haben wir uns gerade mit den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher intensiv auseinander gesetzt.”
Jetzt bin ich verblüfft – wie konnte es dann zu so einer Gesetzesvorlage kommen? Haben Sie sich mit den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher zwar auseinander gesetzt, dann aber beschlossen diese zu ignorieren? Oder waren Ihnen die Erwartungen der Unterhaltungsindustrie einfach wichtiger? Oder haben Sie einfach übernommen, was Ihnen Lobbyisten diktiert haben? Sind Sie tatsächlich der Meinung, es ist richtig Millionen von Konsumenten zu kriminalisieren?

Und damit meine ich nicht diejenigen, die Musik illegal aus dem Internet laden – was Sie mir ja auch mit Ihrer Aufforderung, ich solle doch legale Download-Möglichkeiten nutzen unterstellen. Nur zu Ihrer Information: ich nutze P2P-Distributionswege wie BitTorrent ausschließlich für legale Inhalte (z.B. aktuelle Linux-Distributionen). Und ich nutze den iTunes Music Store von Apple und in den letzten 15 Jahren habe ich fast 1.500 Original-CDs gekauft oder geschenkt bekommen – alles legal. Ich tausche keine Musik in P2P-Netzen, ich kaufe Musik, weil ich die Künstler unterstützen will. Ich kenne sehr viele Musiker persönlich, für einige mache ich zum Beispiel die Webseiten, ich weiss daher doch ein wenig was über die Probleme der Urheber. Aber es ist für Sie natürlich einfacher, einem Kritiker dieser Novelle einfach zu unterstellen, er wäre ein “Raubkopierer”, statt sich ernsthaft Gedanken über die Folgende dieser Reform zu machen.

Aber bitte, Sie können es sich nicht vorstellen, dass Menschen kriminalisiert werden, die keine Tauschbörsen nutzen? Dann liefere ich Ihnen ein paar Beispiele, die nicht an den Haaren herbei gezogen sind – wie viele Argumente der IFPI – sondern wie man so schön sagt direkt aus dem Leben gegriffen sind.

Beispiel 1: gerade erst Samstag in der Stadt habe ich mal wieder nach interessanten neuen CDs geschaut und da hätte ich auch was gefunden: die neue CD von Doro. Nur leider, leider: diese ist “kopiergeschützt”. Wenn Sie sich informieren werden Sie erfahren, dass ja – toller Service – die Songs sogar digital auf der CD vorliegen, als DRM-geschützte Windows-Media-Dateien. Aber da kommt das nächste Problem: weder mein iPod, noch mein Mac können etwas mit diesen Daten anfangen. Nichts. Um also die Songs dieser CD, wenn ich sie mir gekauft hätte zu hören hätte ich nur die Möglichkeit gehabt den Kopierschutz zu umgehen – und nein, im iTMS gibt es die CD nicht.
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um legal erworbene Musik zu hören? Ja?

Beispiel 2: Sie haben vielleicht von dem “Kopierschutz” gehört, den Sony BMG in den USA kürzlich verwendete. Diese Software enthielt Funktionen, die charakteristisch sind für Schadsoftware, um genau zu sein von Rootkits (http://www.heise.de/newsticker/meldung/65602). Diese Software enthielt darüber hinaus Sicherheitslücken. Durch diesen “Kopierschutz” wurden die infizierten Rechner angreifbar, es wurde mit dieser möglich die Kunden auszuschnüffeln und sie stellte Viren und Würmern Funktionen bereit, mit denen diese sich verstecken und verbreiten konnten. Ganz klar: diese Software stellt ein Sicherheitsrisiko für den Rechner und die darauf gespeicherten Daten des Nutzers dar. Nach der Novelle würde man sich aber wohl strafbar machen, wenn man diese Software von seinem Rechner entfernt, schließlich handelt es sich dabei ja um einen “wirksamen Kopierschutz”. Wer weiss, ob neue Versionen beim Versuch sie zu entfernen nicht gleich die IP-Adresse des Users übermitteln, damit dessen Daten angefordert und der User abgemahnt und angezeigt werden kann?
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um seine persönlichen Daten und seinen Rechner zu schützen? Ja?

Beispiel 3: der Käufer einer CD mit “Kopierschutz” kann diese in seinem Auto nicht hören, da das CD-Laufwerk seines Systems mit dem “Kopierschutz” nicht klar kommt. Will er diese Musik also im Auto hören hat er die Wahl zu hoffen, dass die Songs im Radio gespielt werden oder er macht sich strafbar, weil er den “Kopierschutz” umgehen muss, um eine Kopie der CD für’s Auto anzufertigen? Genauso der Autofahrer, der aus verschiedenen Gründen keine Originale im Auto lagern möchte – schließlich reagieren CDs empfindlich auf Hitze und im Sommer kann es im Inneren eines Wagens doch recht heiss werden.
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um legal erworbene Musik im Auto zu hören? Ja?

Beispiel 4: Habe Sie schon mal einen der aktuellen mobilen Media-Player gesehen? Zum Beispiel den iPod Video oder den Zen Vision? Wie Sie sehen haben diese Player kein DVD-Laufwerk, dazu sind sie einfach zu klein. Dafür enthalten sie Festplatten. Aber eine gekaufte DVD zu rippen und auf so einen Player zu kopieren, um den gekauften Film unterwegs zu sehen wollen Sie unter Strafe stellen. Zumindest wenn die DVD – wie fast alle – “kopiergeschützt” ist. 
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um einen legal gekauften Film auf einem mobilen Player zu sehen? Ja?

Mein Rechtsempfinden und meine Auffassung von Gerechtigkeit widersprechen dem laut und deutlich. Ich denke die genannten Fälle müssen straffrei bleiben. Hier wird niemand geschädigt, es wird keine “Raubkopie” angefertigt, es wird nur getan, was notwendig ist legal erworbene Filme und Musik zu nutzen und sich und seine Daten zu schützen.

Die geplante Reform des Urheberrechts dient meiner Meinung nach nur dazu, das Geschäft von Firmen zu stützen, die es nicht mehr schaffen Produkte auf den Markt zu bringen, die man als Konsument auch kaufen will. Schuld ist immer der böse Konsument – sind ja alles Verbrecher. Das zumindest ist die Aussage der Musik- und Filmindustrie und inzwischen auch der Politik.
Dabei sprechen sogar die offiziellen Zahlen der IFPI eine ganz andere Sprache. Schauen wir uns doch die Zahlen mal an – das wurde ja schon getan, aber es scheint sich ja niemand dafür zu interessieren:

“Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V. hat heute neue Zahlen veröffentlicht, um damit Eindruck auf die Öffentlichkeit und die Politik zu machen. Ganz vorne: Der Umsatz mit Tonträgern ist “nach Verbandsstatistik” gegenüber 2004 um 4,6% zurückgegangen, auf 1,5 Mrd Euro. Die Einschränkung “nach Verbandsstatistik” bedeutet, dass nur 86% aller Umsätze von Firmen gemacht wurden, die Mitglied im BdPW e.V. sind. Der Gesamtmarkt schrumpfte nämlich nur um 0,4% (auf 1,746 Mrd.), also haben unabhängige Firmen erheblich bessere Geschäfte gemacht, ihr Umsatzanteil stieg von 10 auf 14%. Wir fragen uns: was genau soll der Gesetzgeber hier tun? Milliardensubventionen für “Deutschland sucht den Superstar”?”

(http://www.bootsektorblog.de/2006/03/piraterie_zahle.html)

Was also sagen diese Zahlen? Sie zeigen uns, dass die Firmen mit der stärksten Lobby in dieser Branche ein ernsthaftes Absatzproblem hat. Andere Firmen in der Branche haben diese Probleme nicht – wie kommt das? Könnte es vielleicht daran liegen, dass wir – die Konsumenten – keine Lust mehr auf den xten Aufguss der immer gleichen Leier haben? Liegt es vielleicht daran, dass wir genug davon haben uns als Verbrecher beschimpfen lassen zu müssen? Kaum noch eine DVD ohne den Vorspann “Raubkopierer sind Verbrecher”. Ich empfinde das als Frechheit mich beim Anschauen einer *gekauften* DVD zuerst mal als “Raubkopierer” beschimpfen lassen zu müssen. Wäre ich doch einer! Ich wette was, dass auf den Kopien diese Spots nicht sind. Nein, damit werden nur die ehrlichen Käufer gegängelt.

Und auf die FAQ auf www.kopien-brauchen-originale.de haben Sie noch hingewiesen. Da finden sich ganz tolle Informationen, zum Beispiel diese hier:

“Ist eine analoge Kopie einer kopiergeschützten CD oder DVD erlaubt?

Bisher ist die Frage gerichtlich noch nicht geklärt, ob man das als Umgehung im weiteren Sinne werten kann. Denn wer auf die CD drauf schreibt „kopiergeschützt“, der will eben keine Kopie. Den analogen Ausgang zu verwenden ist zwar technisch kein Knacken, faktisch aber ein Umgehen.”

Das bedeutet also, dass es sogar verboten sein soll, eine CD, nur weil darauf ein “Kopierschutz” ist auf dem herkömmlichen Weg auf einer Stereoanlage auf eine Kassette zu kopieren? Das kann doch nicht Ihr ernst sein!
Aber so sicher kann man sich da ja nicht sein, schließlich ist die Seite alles andere als auf dem aktuellen Stand, schließlich geht es hier nur um die letzte Reform und nicht um den “2ten Korb”.

Aber wie Sie schreiben: “Die Hersteller sind verpflichtet, den Kopierschutz auf dem Produkt deutlich zu kennzeichnen. Dementsprechend können Sie als Käufer eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob Ihnen eine kopiergeschützte CD den Preis wert ist, zu dem sie verkauft wird.”
Ganz ehrlich? Für eine “kopiergeschützte” CD, die ich nicht nutzen kann und darf ist mir jeder Preis zu hoch – die will ich nicht mal geschenkt. Und so denke ich sicher nicht alleine, aber was wird dann passieren? Die Umsätze der großen Plattenfirmen werden weiter sinken und dann? Kommt dann eine neue Reform, die uns dazu verpflichtet mindestens 5 CDs im Monat zu kaufen? Ein Unterhaltungsindustrie-Soli auf die Einkommenssteuer? Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt – und um die geht es doch: die Kreativität, oder?

Haben Sie sich schon mal überlegt, warum immer mehr Menschen keine Lust mehr auf Politik haben? Nicht mal mehr wählen gehen? Könnte es vielleicht auch an solchen Gesetzen liegen, die dem Rechts- und Gerechtigkeitsempfinden jedes normal denkenden Menschen entgegen steht? Gesetze, bei denen der Eindruck entsteht sie wären von Lobbyisten für deren Schützlinge gemacht? Das könnte durchaus einer der Gründe sein…

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Dobschat

P.S.: Sie dürfen gerne diesmal per Mail antworten, geht schneller und spart das Porto, schließlich müssen wir ja alle sparen