Immer noch nicht erreichbar…

Der Mensch, der mir als Kontakt wegen des Standardbriefs im Bundesjustizministerium genannt wurde ist immer noch nicht erreichbar.
Es ist nun aber so, dass ich mir ziemlich verarscht vorkomme, wenn ich “meine” Angeordnete nach ihrer Meinung frage und darauf einen Standardbrief bekomme ohne darüber informiert zu werden, dass sie aus welchen Gründen auch immer einen Standardbrief schickt. Da kommt schon was an Frust zusammen… Bevor ich deswegen ein Magengeschwür bekomme folge ich doch lieber dem Rat der Fraktions-Mitarbeiterin der SPD  und schreibe an die Fraktionen. Vielleicht wird das Schreiben ja sogar weiter geleitet – oder aber man amüsiert sich dort köstlich über mich, weil ich wirklich glaube, es könnte einen Abgeordneten interessieren, was ich denke. Auch egal, mir geht es besser…
Natürlich habe ich den Brief nicht nur per eMail geschrieben, sondern werde ihn nachher auch gleich noch von der Post in gedruckter Form verschicken – eMails sind ja schließlich nur Kampagnen und können gar nicht ernst genommen werden…
Wer ein wenig Zeit über hat kann ja mal lesen, was ich so alles raus gelassen habe – ist aber doch einiges geworden g

Sehr geehrte Mitglieder des Bundestages,

bevor ich zum eigentlichen Zweck meines Schreibens komme vorweg ein Hinweis: Ich werde diesen Brief auch in meinem Weblog unter https://www.dobschat.de/archiv/weblog/ veröffentlichen, dort werde ich auch jede Reaktion auf dieses Schreiben veröffentlichen und garantiert auch kommentieren.

Ich bin naiv. Ja, wirklich, glaubte ich doch wirklich, ich könne die Abgeordneten meines Wahlkreises einfach mal fragen, wie sie zu der geplanten Novelle des Urheberrechts stehen. Immerhin wäre die Antwort wichtig für meine nächste Wahlentscheidung gewesen.

Drei von den vier angeschriebenen Mitgliedern Ihres Hauses haben bislang überhaupt nicht geantwortet. Und die eine Antwort, nun, ging vollkommen an meiner Fragestellung vorbei, besser noch, unterstellt man mir in dem Schreiben doch, ich würde mich illegal mit Filmen in Tauschbörsen bedienen (in der Anlage finden Sie das Schreiben, aber ich denke Sie werden es kennen). Das hat mich dann doch enttäuscht. Als ich dann aber erfahren durfte, dass es sich bei dieser Antwort offensichtlich um eine fraktionsübergreifende Standardantwort der CDU/CSU und der SPD (und vielleicht noch anderer?) handelt wurde mir wirklich schlecht. Entschuldigen Sie die deutliche Sprache, aber das Zitat “Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte” trifft es einfach am besten. Im weiteren werde ich versuchen solche Zitate und Kraftausdrücke zu vermeiden.

Jetzt wollte ich natürlich wissen, wer denn hier “meiner” Abgeordneten die Meinung formuliert hat. Immerhin könnte der Brief auch direkt von der IFPI stammen. Also habe ich es gewagt im Büro dieser Abgeordneten anzurufen. Das Gespräch war, nun, ich habe irgendwann aufgelegt, sonst wären wirklich Kraftausdrücke gefallen (so Sachen wie “Wollen Sie mich verarschen?” und ähnliches). Den Inhalt des Gespräches will ich kurz zusammenfassen: was mir einfiele zu erwarten, eine individuelle Antwort auf eine 200 mal am Tag eintreffende Standardmail zu erhalten – meine Mail war aber ganz alleine von mir geschrieben. Und die Aufforderung “stattdessen legale Download-Möglichkeiten” zu nutzen bedeute natürlich nicht, dass man unterstellen würde illegale Download-Möglichkeiten zu nutzen, es wäre nur eine Aufforderung eben “stattdessen legale Download-Möglichkeiten” zu nutzen. Stattdessen? Und überhaupt solle ich mich nicht beschweren, schließlich würde es mir ja hier gut gehen, dank der Steuergelder, von denen unter anderem auch Sie finanziert werden. Und die Abgeordnete habe natürlich eine eigene Meinung, diese stünde ja schließlich in dem Brief. Und wenn mir an den Formulierungen in dem Schreiben (welches erst ein fraktions- anschließend ein koalitionsinternes war) was nicht passen würde, dann solle ich das dem Urheber sagen, schließlich habe es die Frau Abgeordnete nur verschickt. Aber wer der Urheber ist dürfte man mir nicht sagen.

Aber es gibt ja auch Mitarbeiter in Ihrem Haus, die freundlich sind und versuchen weiter zu helfen. So ein Mitarbeiter Ihres Kollegen Herrn Runde. Dieser hat mir erst erklärt wie schwer die Situation wäre, wenn man zu einem Thema plötzlich 30 und mehr Mails am Tag bekäme, viele davon Standardmails irgendwelcher Kampagnen, da könne es schon mal passieren, dass auch eine individuelle eMail zum so einem Thema doch mit einer Standardantwort versehen wird. Er stimmte mir aber zu, dass die Formulierung doch recht unglücklich sei, meinte aber es wäre sicher nicht als Unterstellung gemeint. Wer jetzt genau der Urheber ist konnte er mir zwar nicht sagen, er konnte mich aber weiter leiten an eine Mitarbeiterin der SPD-Fraktion, die das Schreiben wohl innerhalb der SPD-Fraktion verteilt hat.

Also weiter telefoniert. Diese Mitarbeiterin erklärte mir nun lang und ausführlich das parlamentarische Prozedere und dass sich die Abgeordneten noch gar nicht mit dem Thema befassen würden, schließlich stünde es noch gar nicht zur Entscheidung an. Man könne ja schließlich von einem Abgeordneten nicht verlangen, sich mit einem Thema zu beschäftigen, welches noch gar nicht zur Entscheidung ansteht. Mein vorsichtiger Einwurf, dass sich einige Abgeordnete ja schon zu dem Thema geäußert haben wurde mal eben ignoriert. Schön. Aber ich könne meine Fragen und Einwände ja mal an die Fraktion schicken, die würden dann vielleicht sogar an die Abgeordneten im zuständigen Ausschuss weitergeleitet. Aber dann bitte schön als Brief und nicht als eMail. Zumindest konnte sie mir sagen, dass der Standardbrief aus dem Bundesministerium der Justiz stammt.

Also rufe ich dort an und werde auch verbunden. Leider nicht der richtige Ansprechpartner, aber er konnte mir zumindest mal sagen, dass ich mich doch erst mal an die Absender des Schreibens wenden solle – die haben es ja schließlich verschickt. Ich habe ihm dann erklärt, dass die mir auch nicht wirklich weiter helfen und ich inzwischen einfach gerne wüsste, wer diesen Text verfasst hat. Er teilt mir den Namen des zuständigen Kollegen mit, leider habe ich den bisher nicht erreicht.

Was so alles passieren kann nur, weil ich von den Abgeordneten meines Wahlkreises gerne gewusst hätte, wie sie zu dem Entwurf stehen.

Beim Thema Wahlen – wo ich doch gerade schreibe – fällt mir doch noch was ein: hat es eigentlich einen bestimmten Grund, dass so ziemlich alle Weblogs von Politikern, die letztes Jahr im Bundestagswahlkampf unter mehr oder weniger großem Tamtam online gegangen sind allesamt am Wahlabend schon wieder geschlossen wurden? Wie ich darauf komme? Das Thema lautet Kommunikation, Dialog mit dem Wähler und Bürger – es ist ja nicht so, dass diese Schlagworte bei den Starts der Weblogs nicht immer und immer wieder verwendet wurden.

Und wo ist nun der Dialog mit dem Wähler? Eine Anfrage wird mit einem Standardbrief beantwortet, der nichts mit der Anfrage zu tun hat – außer der Überschrift Urheberrecht und bei Nachfragen wird man behandelt wie jemand, der unverschämte Forderungen stellt. Das ist also der Dialog mit dem Wähler? So funktioniert das System also? Alle paar Jahre darf ich wählen, aber dazwischen soll ich doch bitte nicht so unverschämt sein und mich äußern? Und wenn ich schon so frech bin und mich äußere soll ich gefälligst einen richtigen Brief statt einer eMail schreiben, aber auf keinen Fall verlangen eine richtige Antwort zu bekommen oder gar nachfragen? Das soll der Dialog sein? So wollen Sie Politik für die Bürger machen, indem sie einfach ignorieren, was die zu sagen haben?

Warum stellen Sie es so dar, als wäre es ein Ärgernis, wenn sich Bürger äußern? Sollten Sie sich nicht mal Gedanken zu den Themen machen, zu denen Sie viele Anfragen von Bürgern bekommen? Halten Sie es wirklich für richtig Standardbriefe als Antwort zu verschicken, die mit der gestellten Anfrage nichts zu tun haben? Was muss man also als Wähler tun, um seine Bedenken und Fragen zu geplanten Gesetzen zu äußern? Dem Abgeordneten des Wahlkreises darf man mit so was anscheinend nicht belästigen, einen konkreten Ansprechpartner bekommt man auch nicht gennant – was bleibt? Muss ich mir einen persönlichen Lobbyisten engagieren?

Wäre es nicht viel einfacher, wenn auf Anfragen von Wählern einfach, kurz und ehrlich geantwortet wird? Es geht um ein Thema, mit dem Sie sich noch nicht befasst haben? Dann schreiben Sie das (bzw. lassen es schreiben). Es ist ein Thema, bei dem Sie sich auf fachkundige Kollegen verlassen? Dann schreiben Sie das und leiten Sie die Anfrage weiter. Sie dürfen in jedem Fall auch gerne auf andere Informationsquellen und Webseiten hinweisen. Es handelt sich um eine Mail aus einer Massenkampagne? Dann antworten Sie doch auch mit einem Standardtext. Aber schauen Sie wenigstens genau hin: nur weil viele Mails zu einem Thema kommen müssen noch lange nicht alle Mails kopierte Texte einer Kampagne sein.

Sie sind auch nur Menschen, natürlich können Sie nicht alles wissen, kein Thema. Aber seien Sie ehrlich! Und was Sie auf keinen Fall machen sollten: eine individuelle Anfrage eines Wählers mit einem Standardbrief beantworten ohne klar zu sagen, dass es sich um einen Standardbrief handelt und wer den eigentlich verfasst hat. Es ist doch nicht zu viel verlangt zumindest in der Antwort klar zu sagen, dass es sich um einen Standardtext handelt, weil Sie gerade keine Zeit oder Lust haben sich mit der individuellen Anfrage zu befassen.

Aber was soll das alles denn noch? Immer wieder wird über die steigende Politikverdrossenheit geklagt und sinkende Wahlbeteiligung. Wenn so ein Standardbrief die Antwort auf Anfragen an “meine” Abgeordneten (ich meine damit natürlich die Abgeordneten des jeweiligen Wahlkreises) ist, dann müssen Sie sich doch nicht wundern. Warum sollte man sich als normaler Wähler mit Politik befassen, wenn es scheint als würden sich die Abgeordneten selber nicht damit befassen. Ja, ich weiss natürlich, dass alles nicht so einfach schwarz und weiss ist – aber wenn ich “meine” Abgeordnete nach ihrer Meinung frage und dann so eine Standardantwort aus dem Bundesjustizministerium erhalte, dann fühle ich mich doch ein klein wenig verschaukelt.

Und jetzt mal zu dem Thema mit dem das alles angefangen hat. Der geplanten Novelle des Urheberrechts. Vielleicht wird der Brief ja doch noch an den einen oder anderen Abgeordneten weiter geleitet, der Zeit und Lust hat, sich damit zu befassen. So ganz glaube ich zwar nicht mehr daran, aber ich lasse mich gerne überraschen. Dazu zitiere ich doch einfach mal Teile aus meiner ersten Antwort an Frau Hübinger auf den Standardbrief (als ich noch nicht wusste, dass dieser Standardbrief aus einem fremden Computer stammt). Diesen Brief hatte ich auch in meinem Weblog veröffentlicht (https://www.dobschat.de/archiv/weblog/index.php/dobschat/entry/politiker-und-klischees/).

Nun zu Ihrem Schreiben und Ihren Aussagen darin. Im ersten Absatz schreiben Sie: “Dabei haben wir uns gerade mit den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher intensiv auseinander gesetzt.”
Jetzt bin ich verblüfft – wie konnte es dann zu so einer Gesetzesvorlage kommen? Haben Sie sich mit den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher zwar auseinander gesetzt, dann aber beschlossen diese zu ignorieren? Oder waren Ihnen die Erwartungen der Unterhaltungsindustrie einfach wichtiger? Oder haben Sie einfach übernommen, was Ihnen Lobbyisten diktiert haben? Sind Sie tatsächlich der Meinung, es ist richtig Millionen von Konsumenten zu kriminalisieren?

Und damit meine ich nicht diejenigen, die Musik illegal aus dem Internet laden – was Sie mir ja auch mit Ihrer Aufforderung, ich solle doch legale Download-Möglichkeiten nutzen unterstellen. Nur zu Ihrer Information: ich nutze P2P-Distributionswege wie BitTorrent ausschließlich für legale Inhalte (z.B. aktuelle Linux-Distributionen). Und ich nutze den iTunes Music Store von Apple und in den letzten 15 Jahren habe ich fast 1.500 Original-CDs gekauft oder geschenkt bekommen – alles legal. Ich tausche keine Musik in P2P-Netzen, ich kaufe Musik, weil ich die Künstler unterstützen will. Ich kenne sehr viele Musiker persönlich, für einige mache ich zum Beispiel die Webseiten, ich weiss daher doch ein wenig was über die Probleme der Urheber. Aber es ist für Sie natürlich einfacher, einem Kritiker dieser Novelle einfach zu unterstellen, er wäre ein “Raubkopierer”, statt sich ernsthaft Gedanken über die Folgen dieser Reform zu machen.

Aber bitte, Sie können es sich nicht vorstellen, dass Menschen kriminalisiert werden, die keine Tauschbörsen nutzen? Dann liefere ich Ihnen ein paar Beispiele, die nicht an den Haaren herbei gezogen sind – wie viele Argumente der IFPI – sondern wie man so schön sagt direkt aus dem Leben gegriffen sind.

Beispiel 1: gerade erst Samstag in der Stadt habe ich mal wieder nach interessanten neuen CDs geschaut und da hätte ich auch was gefunden: die neue CD von Doro. Nur leider, leider: diese ist “kopiergeschützt”. Wenn Sie sich informieren werden Sie erfahren, dass ja – toller Service – die Songs sogar digital auf der CD vorliegen, als DRM-geschützte Windows-Media-Dateien. Aber da kommt das nächste Problem: weder mein iPod, noch mein Mac können etwas mit diesen Daten anfangen. Nichts. Um also die Songs dieser CD, wenn ich sie mir gekauft hätte zu hören hätte ich nur die Möglichkeit gehabt den Kopierschutz zu umgehen – und nein, im iTMS gibt es die CD nicht.
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um legal erworbene Musik zu hören? Ja?

Beispiel 2: Sie haben vielleicht von dem “Kopierschutz” gehört, den Sony BMG in den USA kürzlich verwendete. Diese Software enthielt Funktionen, die charakteristisch sind für Schadsoftware, um genau zu sein von Rootkits (http://www.heise.de/newsticker/meldung/65602). Diese Software enthielt darüber hinaus Sicherheitslücken. Durch diesen “Kopierschutz” wurden die infizierten Rechner angreifbar, es wurde mit dieser möglich die Kunden auszuschnüffeln und sie stellte Viren und Würmern Funktionen bereit, mit denen diese sich verstecken und verbreiten konnten. Ganz klar: diese Software stellt ein Sicherheitsrisiko für den Rechner und die darauf gespeicherten Daten des Nutzers dar. Nach der Novelle würde man sich aber wohl strafbar machen, wenn man diese Software von seinem Rechner entfernt, schließlich handelt es sich dabei ja um einen “wirksamen Kopierschutz”. Wer weiss, ob neue Versionen beim Versuch sie zu entfernen nicht gleich die IP-Adresse des Users übermitteln, damit dessen Daten angefordert und der User abgemahnt und angezeigt werden kann?
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um seine persönlichen Daten und seinen Rechner zu schützen? Ja?

Beispiel 3: der Käufer einer CD mit “Kopierschutz” kann diese in seinem Auto nicht hören, da das CD-Laufwerk seines Systems mit dem “Kopierschutz” nicht klar kommt. Will er diese Musik also im Auto hören hat er die Wahl zu hoffen, dass die Songs im Radio gespielt werden oder er macht sich strafbar, weil er den “Kopierschutz” umgehen muss, um eine Kopie der CD für’s Auto anzufertigen? Genauso der Autofahrer, der aus verschiedenen Gründen keine Originale im Auto lagern möchte – schließlich reagieren CDs empfindlich auf Hitze und im Sommer kann es im Inneren eines Wagens doch recht heiss werden.
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um legal erworbene Musik im Auto zu hören? Ja?

Beispiel 4: Habe Sie schon mal einen der aktuellen mobilen Media-Player gesehen? Zum Beispiel den iPod Video oder den Zen Vision? Wie Sie sehen haben diese Player kein DVD-Laufwerk, dazu sind sie einfach zu klein. Dafür enthalten sie Festplatten. Aber eine gekaufte DVD zu rippen und auf so einen Player zu kopieren, um den gekauften Film unterwegs zu sehen wollen Sie unter Strafe stellen. Zumindest wenn die DVD – wie fast alle – “kopiergeschützt” ist. 
Entspricht das Ihrem Verständnis von Recht, Gerechtigkeit und fairem Interessenausgleich, wenn man sich strafbar machen muss, um einen legal gekauften Film auf einem mobilen Player zu sehen? Ja?

Mein Rechtsempfinden und meine Auffassung von Gerechtigkeit widersprechen dem laut und deutlich. Ich denke die genannten Fälle müssen straffrei bleiben. Hier wird niemand geschädigt, es wird keine “Raubkopie” angefertigt, es wird nur getan, was notwendig ist legal erworbene Filme und Musik zu nutzen und sich und seine Daten zu schützen.

Und nun noch einige Ergänzungen. Immer wieder wird der Wegfall der Begatellklausel verglichen mit einer Straffreiheit für “kleine” Ladendiebstähle. Aber: nicht alles was hinkt ist ein Vergleich. Denn: wenn ich eine Kopie eines kopiergeschützten Werkes für meinen persönlichen Gebrauch anfertige, dann hat das mit einem Ladendiebstahl nichts aber auch gar nichts zu tun.

Ach und bitte verschonen Sie mich mit dem Argument, man würde beim Kauf einer CD eben nur die CD und nicht die Musik darauf erwerben. Das mag formaljuristisch durchaus korrekt sein, geht aber an der Realität vorbei. Schließlich werden die CDs auch nicht beworben als “Super Datenträger auf dem zufällig Daten drauf sind, die in bestimmten Geräten lustige Geräusche machen”. Mir ist klar, dass ich nicht Eigentümer der Musik auf der CD werde, wenn ich sie kaufe – aber ich erwerbe ein Nutzungsrecht und ich bin nicht der Meinung, dass es Sache der Industrie ist, mir vorzuschreiben, wie ich dieses Nutzungsrecht wahr nehme. Oder soll es das sein? Sollen die Verwerter der Rechte festlegen, welche CD- und DVD-Player wir verwenden dürfen, welche Computer, Handys und Mobiltelefone wir uns anschaffen, wo wir Musik hören und Filme schauen? Ist es das? Was als nächstes? Automobilhersteller legen fest, welche Reifen auf ihren Autos verwendet werden dürfen? Kaffeeproduzenten legen fest, in welchen Maschinen ihr Kaffee zubereitet werden darf?

Wenn Sie aber schon solche unpassenden Vergleiche anbringen müssen, dann bringe ich eben auch welche. Sie kennen diese Senseo-Kaffeemaschinen? Für diese gibt es spezielle Pads mit Kaffee. Es gibt aber nicht jede Kaffeesorte als Pad, aber dafür kleine Plastikbehälter, die man mit ganz normalem Kaffeepulver füllen kann. Die Kaffeemaschine ist nun also der Music-Player, die Pads sind kopiergeschützte CDs, die Plastikbehälter sind die Umgehung des Kopierschutzes und der Kaffee ist die Musik. Sie wollen mir also verbieten, legal gekauften Kaffee in einen Plastikbehälter zu füllen, damit ich ihn in meiner Kaffeemaschine zubereiten kann, ich soll stattdessen eine neue Kaffeemaschine kaufen? Und zwar für jede Kaffeesorte im schlimmsten Fall eine eigene Maschine?

Natürlich kann ich auf andere Kaffeesorten zurück greifen, bei Musik ist das aber nicht so einfach. Es ist einfach ein Unterschied ob ich eine CD von Doro oder eine von James Last höre – und der Unterschied beschränkt sich nicht auf den Bart von James Last. Um aber die Musik von Doro in Zukunft halbwegs legal (zumindest ohne Risiko einer Strafverfolgung) hören zu können muss ich mir also zusätzlich zum iPod und zu meinem Mac einen WMA-Player und einen Windows-Rechner kaufen? Ist es das was sie wollen? Wollen Sie damit den Konsum ankurbeln?

Und wenn ich dann einen Windows-Rechner habe, dann darf ich den ausschließlich für Musik nutzen, denn ich darf ja nichts gegen “Kopierschutzsoftware” unternehmen, die die Sicherheit meines Rechners und der darauf gespeicherten Daten gefährdet. Es wäre also grob fahrlässig auf so einem Rechner irgendwelche persönlichen Daten zu speichern. Vielleicht brauche ich auch mehrere Windows-Rechner, weil sich verschiedene Kopierschutz-Systeme nicht miteinander vertragen? Wer wird denn geschädigt, wenn in solchen Fällen das Umgehen eines Kopierschutz legal ist? Niemand! Im Gegenteil. Unabhängig davon, dass dadurch eher weniger Musik & Filme verkauft werden als mehr – Sie schaden damit den Konsumenten, Ihren Wählern (und deren Kinder). Musik ist eben keine Ware wie Kaffee oder Käse und fast beliebig austauschbar.

Wo bleibt da der faire Interessenausgleich? Fragen Sie doch mal Ihre Kollegen in Frankreich, wie die das gelöst haben. Dort ist das Umgehen eines Kopierschutz ebenfalls verboten, Downloads und Verbreiten urheberrechtlich geschützten Materials ebenfalls verboten (darüber muss man auch gar nicht diskutieren), aber auch die Interessen der Verbraucher sind berücksichtig: dort müssen DRM-Systeme soweit offen gelegt werden, dass eine Interoperabilität möglich ist (http://www.gulli.com/news/frankreich-drm-muss-2006-03-29/). Natürlich passt so was vor allem Apple und Microsoft nicht, wollen doch beide Unternehmen jeweils einen möglichst großen Marktanteil und dabei den jeweils anderen nach Möglichkeit aussperren. Apple weigert sich das eigene DRM FairPlay an andere zu lizenzieren, schließlich wäre es ja schlecht für die iPod-Verkäufe, wenn plötzlich alle anderen Player die Songs aus dem iTunes Music Store abspielen könnten. Und Microsoft hätte es wohl auch nicht so gerne, wenn der iPod plötzlich mit dem DRM aus Redmond geschützte WMA-Dateien abspielen könnte – man hätte als Kunde schließlich plötzlich die Wahl sowohl was den Player angeht als auch in der Frage, in welchen Online-Shop man einkauft. Aber das sind deren Probleme, sollen sie doch anständige Produkte anbieten und dem Kunden die Wahl lassen, soll sich am Ende der durchsetzen, der die besseren Produkte anbietet. Durch die geplante Novelle wird das aber in Deutschland sicher nicht passieren, im Gegenteil. Der Kampf der Systeme wird weiter geführt und ausbaden muss es der Verbraucher.

Als Bürger stehe ich ziemlich doof da, sollte die Novelle in dieser Form durchgehen. Will man keine Strafanzeige riskieren – was auf die meisten Bürger dieses Landes zutreffen dürfte – dann muss man anfangen Musik mehrfach zu kaufen: zwei mal die CD für die Stereoanlage und für das Auto, im iTunes Music Store für den Mac und iPod, noch mal bei einem Shop der Netzbetreiber für das Handy und wenn man sich irgendwann doch mal einen anderen mobilen Player kauft, dann wohl noch einmal online bei Musicload im geschützten WMA-Format. Glauben Sie wirklich, dass das passieren wird? Oder wird es nicht eher so sein, dass man entweder komplett verzichtet oder auf die Strafbarkeit pfeift und den Kopierschutz der einen gekauften CD doch umgeht, um die Songs auf den o.g. Geräten hören zu können? Was aber, wenn die Mehrheit sich in Verzicht übt? Dann sinken die Umsätze der Branche doch weiter – was kommt dann im dritten oder vierten Korb? CD-Kaufzwang? Der Musik- und Film-Solidaritätszuschlag auf die Einkommenssteuer?

Wenn das alles wirklich das ist, was Sie unter einem “fairen Interessenausgleich” verstehen, dann haben Sie die Antwort auf die Frage, warum immer mehr Wähler nicht mehr zur Wahl gehen. Die haben nämlich den Eindruck, dass ihre Stimme nichts wert ist, weil die Politik in diesem Land nicht mehr von Ihnen für die Bevölkerung gemacht wird, sondern Sie nur noch die Erfüllungsgehilfen der Lobbyisten und Industrieverbände sind. Stimmt dieser Eindruck etwa? Bisher gehörte ich noch zu den Menschen, die immer schön fleissig zur Wahl gegangen sind, ich habe sogar versucht und es in einzelnen Fällen auch geschafft Menschen davon zu überzeugen zu wählen. Ich war immer der Meinung, dass es wichtig sei. Aber inzwischen frage ich mich, ob nicht doch der Weg der Nichtwähler der bessere sein könnte. Wo bliebe denn Ihre Legitimation, wenn die Wahlbeteiligung regelmässig unter 50, 40, 30% sinken würde? Wie wollen Sie dann noch Ihren Vertretungsanspruch begründen? Alles, was für mich im Moment noch dagegen steht ist die Befürchtung, dass davon NPD, DVU & Co. profitieren würden.

Und noch ein Hinweis: sollte unter Ihnen tatsächlich jemand sein, der sich nicht nur köstlich über mich amüsiert, weil ich immer noch glaube auf dem einen oder anderen Weg jemand von Ihnen zu erreichen, sondern tatsächlich antworten will: Sie dürfen mir gerne auch per eMail antworten. Ist billiger und bei mir ist eMail kein Kommunikationsweg zweiter Klasse. Außerdem kann ich Ihre Antwort dann auch besser in mein Weblog übernehmen. Trotz allem werde ich dieses Schreiben nicht nur per eMail schicken, sondern auch ausdrucken und per Post schicken – sonst glauben Sie noch, es wäre eine kopierte Standardmail einer Kampagne…

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Dobschat

P.S.: Liebe Mitglieder der SPD, der Grünen und der Linkspartei, ich verzichte auf das bei Ihnen immer noch verbreitete “Innen” nicht, weil ich ein Sexist wäre, ich habe es mir in den letzten Jahren nur abgewöhnt, weil es das Lesen erschwert und mich das viele Rot meiner Rechtschreibkorrektur einfach nur nervt. Alles was ich geschrieben habe gilt für männliche wie weibliche Abgeordnete, Bürger und Bürgerinnen, Wähler und Wählerinnen usw.