In den letzten Monaten gibt es immer wieder Meldungen zu lesen, dass in Deutschland weniger Fleisch konsumiert wird, dafür aber die Umsätze mit Fleischersatzprodukten steigen. Was man unter solchen Meldungen in den Kommentaren immer wieder lesen darf, sind die Kommentare von Fleischfresser:innen. Ganz vorne weg immer wieder die Frage, warum Vegetarier:innen und Veganer:innen überhaupt Ersatzprodukte wollen, wenn man doch auf Fleisch verzichten will – selten ernsthaft interessiert, meist aber doch eher dümmlich oder pseudo-spaßig.
Was soll ich sagen: Ich gehörte früher auch zu denen, die sich und anderen diese Frage stellten. Das könnte man nun damit entschuldigen, dass das zu einer Zeit war, in der die Ersatzprodukte optisch und geschmacklich noch sehr weit vom Original entfernt waren. Ist aber nicht das Thema. Glücklicherweise gehöre ich zu den lernfähigen und -willigen Menschen.
Heute gibt es Unmengen von Ersatzprodukten, die optisch und geschmacklich so nahe am Original sind, dass man die Unterschiede teilweise sehr genau suchen muss. Glücklicherweise, denn das macht mir den weitgehenden Verzicht auf Fleisch sehr viel einfacher. Was sich viele einfach nicht vorstellen können oder wollen: Sehr viele Menschen, die auf Fleisch verzichten, tun das nicht, weil sie den Geschmack nicht mögen würden, sondern aus ganz anderen Gründen. Ist ja nicht so, als gäbe es nicht genügend Gründe auf Fleisch (und andere tierische Produkte zu verzichten): die Tiere müssen leiden und werden getötet, die Tierzucht kostet Unmengen von Ressourcen, die besser genutzt wären, wenn damit alle Menschen ernährt werden würden, setzt gewaltige Mengen von Treibhausgasen frei und der Verzehr von Fleisch, vor allem in großen Mengen, ist nun auch nicht wirklich gesund.
Tatsächlich sind es für mich der Ressourcenverbrauch und die Treibhausgase, die mich motiviert haben meinen Fleischkonsum drastisch zu reduzieren auf inzwischen einmal pro Quartal in diesem Jahr. Zu einem kompletten Verzicht auf tierische Erzeugnisse habe ich mich leider noch nicht durchringen können: für Spiegeleier und sehr viele Käsesorten gibt es für mich einfach bislang noch keinen adäquaten Ersatz.
Ein bisschen faszinierend ist es aber schon, wenn ich dann und wann auf Facebook unterwegs bin und mal wieder ein Beitrag zum Thema „veganer Ersatz für Leichenteile und andere tierische Produkte“ auftaucht. Passiert inzwischen ja häufiger, diese Produkte werden ja in immer größeren Mengen produziert und verkauft.
Reihenweise tauchen da ideologische Fleischfresser:innen auf, die erstmal allen Veganer:innen Ideologie vorwerfen. Aha, man kommentiert also in einem Beitrag zu einer Art von Produkt, die man selbst nicht kaufen und konsumieren möchte, aber man muss das unbedingt genau dort öffentlich verlautbaren, dass diese Produkte ja so eklig und die Konsument:innen dieser Produkte ja so dumm wären. Dazu kommen dann die üblichen Lügen, die mit einem Minimalaufwand an Recherche zu widerlegen sind:
- Veganer:innen zerstören den Regenwald, weil der für den Anbau von Soja abgeholzt wird. Stimmt zwar, dass Regenwald für den Soja-Anbau abgeholzt wird, aber daran sind nicht die Veganer:innen schuld: 77% des weltweit angebauten Soja landet in Futtertrögen.
- In Ersatzprodukten ist Kleister. Stimmt auch nicht. In vielen Ersatzprodukten wird Methylcellulose verwendet – übrigens nicht nur da, auch in vielen nicht-veganen Lebensmitteln wird Methylcellulose verwendet. Und ja, auch in Kleister. Was sonst so alles in „echten“ Fleischprodukten drin ist, darüber wollen diese Leute dann aber nicht reden. Diese Leute kaufen ihre Wurst und ihr Fleisch selbstverständlich alle bei kleinen Metzgereien, die noch selbst schlachten und jedes Tier beim Namen kennen. Schon klar.
- Vegetarische und vegane Ernährung sollen ungesund sein. So pauschal ist die Aussage halt einfach nur Bullshit – da kann man auch gleich sagen „Ernährung ist ungesund“. Tatsache ist halt: Man kann sich auf jede Art gesund oder ungesund ernähren. Hoch verarbeitete Lebensmittel sind selten wirklich gesund, egal ob da nur pflanzliche oder auch tierische Ausgangsprodukte verarbeitet werden.
- Veganer:innen töten mehr Tiere als Freischfresser:innen. Ja wirklich, dieses komische „Argument“ bringen manche an. Das klingt nicht nur unlogisch, das ist es auch. Also die Begründung für diese These: Bei der Ernte von pflanzlichen Lebensmitteln geraten kleinere Tiere in die Erntemaschinen und werden getötet, außerdem würden durch Ackerflächen Lebensräume wilder Tiere reduziert. Beides stimmt zwar, aber Fleisch kommt in Deutschland nahezu ausschließlich aus industrieller Tierhaltung. Diese Tiere zu füttern erfordert eine Menge Pflanzen – und die werden natürlich nur in freier Wildbahn von Hand gepflückt, was?
- Das tollste Argument ist aber immer wieder, wie schrecklich die Sachen doch schmecken würden – meist von Menschen, die zwei Kommentare davor oder danach tönen, dass sie diese Ersatzprodukte niemals gegessen haben order essen würden. Besonders hervorgetan hat sich da anlässlich des Oktoberfestes eine Dame, die meinte, die dort angebotenen veganen Weisswürste würden schmecken wie „Montageschaum in einem Kondom“. Ich kann mir zwar vorstellen, woher sie den Geschmack von Kondomen kennt, aber warum sollte jemand Montageschaum essen? Abgesehen davon zeichnen sich diese veganen Weisswürste neben dem Verzicht auf tote Tiere auch durch den Verzicht auf eine Haut aus. Sie stecken also gar nicht in einem „Kondom“… wurde die arme Frau womöglich über’s Ohr gehauen und ihr wurden klassische Weisswürste als vegan angedreht? Man weiß es nicht.
Ist klar, aber die anderen sind ideologisch verblendet 🤦♂️
Ehrlich jetzt, was stimmt mit solchen Menschen nicht? Ich mag verschiedene Lebensmittel nicht, aber deswegen renne ich doch nicht doch soziale Netze um unter jedem Beitrag zum Thema Rote Beete oder Thunfisch zu schreiben, dass ich das Zeug ziemlich eklig finde und bei dem Geschmack das Würgen bekomme.
Um nochmal zurück zu den Facebook-Kommentaren zu kommen, da sind mir ein paar Dinge aufgefallen. Wenn man dort selbst mal kommentiert und den Quatsch anspricht, denn einige Fleischfresser:innen da von sich geben, dann wird man natürlich sofort mit den üblichen Vorurteilen angegangen. Klar, ich bin fett, sowieso ein linksgrünversiffter Tunichtgut (sieht man ja an den Haaren) und hässlich dazu auch noch. In den meisten Fällen sind diese Kommentare nicht unähnlich denen, die ich so bekomme, wenn ich mal irgendwo wage die sog. AfD als das zu bezeichnen, was sie nun einmal ist. Denn sehr viele dieser von der Existenz veganer Fleischersatzprodukte so unglaublich provozierten Menschen sind wohl nicht ganz zufällig Fans eben dieser sog. AfD.
Übrigens: Falls jemand einen veganen Käseersatz kennt, der nicht nur dafür taugt, um ihn auf’s Brot zu legen, sondern auch für Pizza und Burger (der also nicht nur schmeckt, sondern auch schmilzt wie echter Käse), dann freue ich mich über Hinweise. Bislang bin ich da noch nicht fündig geworden. Was ich irgendwie nicht verstehe – erinnert sich noch jemand an die Aufschrei wegen Analogkäse auf TK-Pizzen? Da hat es doch auch geklappt!
Beitragsbild von Iftekhar Uddin Emon auf Pixabay
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