Christian hat auf meinen Beitrag geantwortet und ich kann es nicht lassen, ich muss schon wieder meinen Senf dazu geben.
Ich frage mich manchmal, wie unglaublich naiv diejenigen sind, die jetzt glauben, mit Petitionen etc. die neuen Gesetze noch verhindern zu können, nachdem P2P und Tauschbörsen ihren Siegeszug durch ComputerBild (“… die 100 geheimsten Adressen im netz! Alle Filme vorab!…”), t-online (“…rasend schnell Musik und Filme downloaden…”) & Co. angetreten haben. Auf eine Person in meinem Bekanntenkreis, die anständig originale CDs gekauft hat, kommen schätzungsweise 20, die den ganzen Schrank mit Kopien vollstehen haben, ohne dabei auch nur einen Funken schlechtes Gewissen zu spüren. Wozu auch? Es gibt doch das Recht auf Privatkopie, dass ich nicht lache.
Also mal unabhängig von der Gewissensfrage: das Anbieten urheberrechtlich geschützten Materials in Tauschbörsen war schon immer illegal. Keine Frage – dafür braucht es keine neuen Gesetze! Auch sind solche Leute immer ausfindig zu machen, auch ohne schärfere Gesetze. Das funktioniert dann so: die Rechteinhaber lassen die Tauschbörsen durchforsten, sammeln Beweise (Zeit, IP und die angebotenen Inhalte), erstatten Anzeige, die Staatsanwaltschaft ermittelt über die IP-Adresse und den Provider den Anbieter, dieser wird ggf. angeklagt und selbst wenn das Strafverfahren wegen mangelnden öffentlichem Interesse gar nicht erst statt findet – die Rechteinhaber haben den Anbieter “am Arsch” und können ihm selbigen mit Schadensersatzforderungen aufreissen.
OK, drehen wir die Zeit mal 50 Jahre zurück. Welche private Kopie existierte denn damals? Man hätte Bücher abschreiben können, oder Schellackplatten per Wachsabdruck kopieren, oder wie? Der Privatmann hatte de facto gar keine Möglichkeit zum nennenswerten Kopieren, hat es daher auch nicht getan, und alles war gut. Mit der Cassette als Massenmedium änderte sich das erstmals, ein billiges wiederbeschreibbares Format für jeden war auf dem Markt. Nicht so gut wie das Original, aber immerhin. Und heute? Perfekte Kopien von digitalen Medien, laser-kopierte Booklets und Cover aus dem Internet, CD-Printer für das nette Finish – DAS soll das gleiche sein wie 1965 und davor?
Es ist technisch natürlich nicht das gleiche, aber es ging auch nicht darum: es geht um die vom Gesetzgeber im Urheberrecht vorgesehene Ausnahme des Kopierverbots für den Privatgebrauch. Und zu den Kopien: es gab nicht nur Bücher und Platten, sondern z.B. auch Noten, die auch schon im Rahmen der Privatkopie abgeschrieben wurden.
Jetzt kommt der Bumerang zurück.
Und trifft mit voller Wucht die Falschen: die ehrlichen Kunden, die mit “Kopierschutz” auf CDs gegängelt und regelmässig pauschal als Raubkopierer beschimpft werden. Stören sich die grossen Kopierer denn an den Gesetzen? Nein: die haben sich schon lange zurückgezogen und tauschen immer mehr nur noch in kleinen Gruppen – da wird nicht mehr anonym über Tauschbörsen getauscht, sondern nur noch “im kleinen Kreis” (der aber dank Internet immer noch weltweit mehrere hundert Personen umfasst). Da kommt keiner rein, wenn er nicht einen kennt, der einen kennt. Klar, jeder kennt einen – aber dieser eine wird vorsichtiger werden. Aber der nächste Schritt ist doch logisch: da diese Leute sich dann über verschlüsselte Datenübertragungen gegen Mithörer absichern verbieten wir als nächstes Verschlüsselungstechnologie?
Natürlich bin ich kein Fan der jetzigen Auswüchse. Ich muß mir aber die Frage stellen lassen: Hätte ich was dagegen tun können? Die Antwort ist: Wahrscheinlich ja.
Das halte ich für eine sehr optimistische und unrealistische Meinung…
…aber ich kann doch den Server dichtmachen, damit keine MP3’s mehr durchgehen, ich kann die Firewall auf Port 5500 sperren, …
Dann wird Port 5500 gesperrt und der Tauschbörsennutzer weicht auch Port 4400 aus oder 25932 oder welchen auch immer – Ports gibt es genug. Wenn ein Server keine Dateien mit der Extension .mp3 erlaubt nimmt man eben .abc oder was auch immer. Man kann es etwas schwerer machen – aber wer wirklich Tauschbörsen nutzen will, der wird einen Weg finden.
Das gleiche gilt für die anderen Admins, die Provider, die Hard- und die Softwareproduzenten. Die einen halten es nicht für ihre Aufgabe, anderen auf die Finger zu sehen und zu hauen (falls nötig), die anderen wittern das große Geschäft, wenn sie treudoof behaupten, es gehe sie nichts an, was auf ihren Servern, ihren Leitungen und an ihren Computern so getrieben wird.
Langsam bitte – mal so pauschal die Provider zu Aufpassern machen zu wollen ist etwas daneben und dafür gibt es einige Gründe:
- eine ständige Überwachung der Kunden kostet Zeit und Geld
- ich als Kunde hätte gewaltig was dagegen, wenn mein Provider anfängt auf meinem bei ihm gehosteten Server rumzuschnüffeln, auch wenn ich in dem Punkt “nichts zu verbergen” habe – mal abgesehen vom Datenschutz
- Provider sind Provider und keine Urheberrechts- (oder Strafrechts-) Experten – was gäbe das für einen Aufstand, wenn ein Server vom Netz genommen wird, weil der Provider glaubt, es wäre illegal, was darauf liegt?
Auch hier bin ich der Meinung, dass die bestehenden Gesetze sehr wohl ausreichen. Jeder Provider muss reagieren, wenn er “Kenntnis hat” von illegalen Inhalten auf von ihm gehosteten oder angebunden Systemen – und jeder Provider wird dann auch tätig werden, alleine um sich nicht mitschuldig zu machen.
Jetzt haben wir den Salat. Das Recht ist nahezu verwirkt, weil eine Gruppe von Menschen es massiv mißbraucht hat.
Rechtsradikale Arschlöcher missbrauchen das Recht auf freie Meinungsäußerung, um ihre kranke Propaganda zu verbreiten? Nein tun sie nicht, bestimmte “Meinungen” sind eben nicht erlaubt, sondern fallen unter das Strafrecht.
Genau so ist es beim Urheberrecht und der Privatkopie: das Kopieren für den eigenen privaten Konsum ist erlaubt, wer aber Kopien urheberrechtlich geschützten Materials in Tauschbörsen anbietet, der nutzt nicht das Recht auf Privatkopie aus, der verstösst (auch schon vor der letzten Neufassung des Urheberrechts) gegen das Urheberrecht.
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