Irgendwie ist es ja lustig, aber auch traurig. Im Zusammenhang mit der Klage gegen mich, wurde mir von verschiedenen Menschen gesagt, dass sie überrascht wären, dass ich mich da wegen homophober Aussagen so weit aus dem Fenster gelehnt hätte. Schließlich wäre ich ja nicht davon betroffen. Ob ich denn besonders viele homosexuelle Freunde hätte oder wie das käme, dass ich mich über homophobe Kackscheiße so aufrege, meine Fresse nicht halten kann und so deutlich dagegen rede.
Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, ob ich besonders viele oder wenige homosexuelle Freunde habe. Woher sollte ich das auch wissen? Ich frage doch die Menschen, mit denen ich zu tun habe nicht, welche sexuelle Orientierung sie haben. Das interessiert mich nicht. Klar, bei einigen weiß ich es, man bekommt so was ja früher oder später dann doch mit. Manche gehen damit ja auch sehr offen um, andere haben es irgendwann erzählt. Und manche haben es auf eine Art erzählt, die mir klar macht, dass es auch heute noch nicht für jeden selbstverständlich ist, dass es Menschen gibt, die auf das gleiche Geschlecht stehen. Daran liegt es nicht. Und ich rege mich ja genau so über rassistischen Verbalmüll auf. Obwohl ich auch davon nicht betroffen bin, schließlich bin ich ein echter Bio-Deutscher (und es ist mir scheißegal). Und so egal es mir ist, welche sexuelle Orientierung ein Mensch hat, genau so egal ist es mir, woher jemand kommt, dessen Eltern oder Großeltern oder welche Hautfarbe jemand hat. Ist mir egal. Wichtig ist bei Menschen doch am Ende nur, was sie tun, lassen und sagen.
Warum also rege ich mich über irgendwelche Scheiße auf, die irgendjemand sagt, obwohl ich direkt davon nicht betroffen bin? Eigentlich ganz einfach: Wenn jemand gegen Homosexuelle hetzt, dann hetzt er gegen Menschen. Wenn jemand gegen Ausländer hetzt, dann hetzt er gegen Menschen. Ob Homophobie, Rassismus, Sexismus und was es alles leider gibt: Das alles sind nur verschiedene Varianten von Menschenfeindlichkeit. Und ich bin ein Mensch. Klar, weder ein homosexueller Mensch, noch in diesem Land ein Ausländer, aber das ist doch egal. Wer heute gegen Menschen hetzt, weil sie den „falschen“ Glauben, die „falsche“ Hautfarbe oder Sexualität haben, der wird sich morgen wahrscheinlich die nächste Gruppe Menschen suchen und gegen die hetzen. Hetzer machen selten große Unterschiede. Darum rege ich mich über Menschenfeindlichkeit auf, selbst wenn sie (noch) nicht gegen mich selbst gerichtet ist. Und darum sollte sich jeder immer über Menschenfeindlichkeit aufregen.
Mich hat das überrascht, dass manche das nicht verstehen oder es nicht so sehen. Und es macht mich traurig, dass es nicht selbstverständlich zu sein scheint. Ich habe mich immer für die Zeit des Dritten Reichs interessiert, habe auch in der Familie viel zu oft, viel zu viele Fragen gestellt über diese Zeit. Das lag daran, dass ich immer versucht habe nachzuvollziehen, wie es zu so etwas kommen konnte. Wie konnte es passieren, dass so viele Menschen einem Hass predigenden Arschloch nachgelaufen sind. Wie konnte es passieren, dass Menschen fast von heute auf morgen angefangen haben ihre Nachbarn zu hassen, zu verfolgen, sie nicht mehr als Menschen zu sehen. Nachvollziehen oder gar verstehen kann ich es bis heute nicht, aber ich habe daraus gelernt, dass man einfach nicht die Fresse halten darf. Egal ob in der S-Bahn oder eben im Internet. Und wenn sich dann am Ende einer von denen, die menschenfeindlichen Mist raus posaunen deswegen beleidigt fühlt, mich anzeigt und verklagt, ja dann ist es eben so. Und wenn irgendwann mal ein Richter der Meinung ist, dass ich mich zu sehr habe hinreissen lassen, dann muss und kann ich auch damit leben. So lange wir in einem Land leben, in dem für verbales dagegen halten schlimmstenfalls eine Geldstrafe wegen Beleidigung droht, halte ich das für nichts besonderes. Das ist dann eben das Risiko der Gegenrede.
Ich halte ja nicht viel von den Kirchen, ich denke, dass bekommt man mit, aber ein Zitat – auch wenn es da unterschiedliche Versionen gibt – des evangelischen Theologen Martin Niemöller hat mich immer in dieser Haltung bestärkt und erinnert mich auch immer wieder daran, wie wichtig es ist, bei Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit eben nicht die Fresse zu halten, auch wenn man selbst nicht betroffen ist.
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Man muss immer daran denken, dass man von der Hetze irgendwelcher Menschenfeinde im Zweifel noch nicht selbst betroffen ist. Das kann sich aber schneller ändern, als man glaubt…
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