Huch, da will wer die Charts manipulieren

Sorry, aber den blöden Witz in der Überschrift konnte ich mir jetzt einfach nicht verkneifen ;)

Zu der Facebook-Gruppe mit dem Ziel die Singlecharts zu manipulieren hatte ich ja schon bei venue music ein bisschen was geschrieben, auch ein wenig was zu den Fragezeichen bei der Aktion – aber ich habe eben auch die Sachen dazu geschrieben, die mir Tobias Huch, einer der Initiatoren der Gruppe, in einem späteren Telefonat erzählt hat. Darum soll es auch gar nicht gehen. Auch nicht um die unglückliche Kommunikation(sstrategie?) der Gruppen-Administratoren, die bei kritischen Beiträgen und Threads meiner Meinung nach zu schnell auf „Löschen“ klicken. Obwohl gerade der letzte Punkt sicher seinen Teil dazu beiträgt, dass sich die Kritiker offenbar extrem angespornt fühlen, in der Gruppe (und an anderen Stellen) umso heftiger gegen Tobias zu schießen.

Aber das ist dann wirklich spannend: wenn man so beobachtet, wie viele Leute da in einer Tour durch die wildesten Vermutungen als Tatsachen um sich schmeissen, ohne sie aber belegen zu können, dann darf man vermuten, dass man ihnen mit dem Löschen der entsprechenden Beiträge vielleicht sogar einen Gefallen tut. Es gibt keine Belege dafür, dass Spendengelder über seine Firmen laufen sollen, es sind ja noch gar keine Gelder bei der Aktion geflossen. Und selbst wenn es wirklich so sein sollte, dass sich Tobias mit der Aktion profilieren und ein Wohltäter-Image aufbauen/pflegen will – ja und? Was ist denn dabei? Das würde weder den genannten caritativen Zielen der Aktion schaden noch denjenigen, die sich daran beteiligen. Und es ist doch nichts anderes als das, was zig andere (so genannte) Prominente machen, wenn sie öffentlichkeitswirksam irgendwelche Devotionalien abgelegte Klamotten persönlichen Kram für gute Zwecke versteigern oder zusammen mit Spendenschecks gleich Pressemitteilungen verschicken.

Übrigens halte ich es auch für unwahrscheinlich, dass sich viele Labels und Vertriebe finden lassen, die für so eine Aktion auf ihren Anteil an den Download-Umsätzen verzichten – aber man soll ja schon Groupies gefrorenes Brot essen Pferde vor Apotheken kotzen gesehen haben. Sollte Tobias es tatsächlich schaffen, dass sich einige bereit erklären auf ihr Geld zu verzichten bzw. es zu spenden, dann wäre das doch prima, oder etwa nicht? Und wenn er es nicht schafft, dann können alle Zweifler immer noch den Nelson Muntz machen und erklären, es doch gleich gewusst zu haben.

Nein, Fragezeichen gibt es genug, aber was da einige Kritiker veranstalten nimmt mehr und mehr Gestalt eines Kreuzzuges an – egal was, egal womit, einfach mal drauf hauen, irgendwo wird man den Feind schon treffen. Feind? Ja, es wirkt tatsächlich bei manchen wie eine sehr persönliche Feindschaft. Denn statt einfach nur die Fragen los zu werden und mal ein paar Tage zu warten, ob sich die Ankündigungen von Tobias bewahrheiten (so soll es am Montag etwas dazu im BR geben, ein offizieller Botschafter von Liberia will sich dazu auch äußern) oder eben nicht, wird immer weiter gefeuert.

Nein, ich will hier nicht anfangen Tobias zu verteidigen, das kann er selbst (ob er dabei immer ganz glücklich in der Art seiner Kommunikation vorgeht ist eine andere Frage) oder er kann sich dafür Profis engagieren, der braucht da meine Hilfe echt nicht. Es ist einfach nur amüsant das alles zu beobachten, auch wenn der Spaßfaktor durch die Löschungen von Beiträgen und Threads der Gruppen-Admins sehr gelitten hat – wobei ich es aber nachvollziehen kann, dass man irgendwann keinen Bock mehr hat, einzelne Behauptungen und Links an zig Stellen im Forum immer wieder richtig stellen und kommentieren zu müssen (mal abgesehen davon, dass sich wohl die wenigstenMenschen gerne beleidigen lassen und eben auch Beleidigungen gab es).

Tobias liefert der Gegenseite aber auch eine schöne Vorlage damit, dass er diesen Intro-Artikel über die Gruppe (die ich jetzt hier nur der vollständigen Information halber verlinke, natürlich ohne mir seine Inhalte zu eigen zu machen) bei mehreren Nachfragen nur mit „unseriös“ kommentiert und die Links dazu aus der Gruppe löscht, weil er dazu rechtlich verpflichtet sei. Es geht dabei wohl vor allem um etwas was Tobias angeblich in einer RTL-Sendung gesagt haben soll, was wiederum auf einer anderen Seite zitiert und von der Intro von dieser anderen Seite zitiert wurde. Also ein Zitat eines Zitats eines angeblichen Zitats. Die Intro hat zwar in einem Update ergänzt, dass dieses Zitat laut Tobias nicht von ihm stammt, aber das reicht wohl nicht. Mag rechtlich so sein, wie er sagt, keine Ahnung – ich bin kein Anwalt.

Erwähnte ich schon, dass ich die Kommunikation seitens der Initiatoren bei dieser Sache für sehr unglücklich halte?

Aber in dem Intro-Artikel steht noch was anders, was ich noch viel spassiger finde:

Vielleicht wird man es nie erfahren: Media Control, das Unternehmen, das die Charts erstellt und vermarktet, ist über den Vorgang informiert und hat im Gespräch mit Intro angekündigt, „entsprechend zu reagieren“. Denn: „Wir spielen hier ja nicht ‚Farm Ville‘. Derartige Versuche stellen einen Angriff auf die Werthaftigkeit der Charts dar. An dieser Werthaftigkeit hängen Künstler, Jobs und eine ganze Medienwelt, die nicht zocken, sondern die reine Wahrheit abgebildet haben möchte.“

Aha, die „Werthaftigkeit der Charts“ und die „reine Wahrheit„? Das ist doch ein Witz, oder? Mal ganz blöd gefragt: sollte ein über diese oder eine andere Gruppe ausgewählter Song massenhaft gekauft werden, Media Control aber dann diesen Song von den Charts ausschließen, was wäre dann die Begründung dafür? Dass der Aufruf den Song zu kaufen und in die Charts zu bringen ein Manipulationsversuch sei? Ja was ist denn dann die Werbung für Musik im Fernsehen und in Zeitschriften anderes als ein Manipulationsversuch? Die fordert doch auch nur möglichst viele Menschen dazu auf, einen bestimmten Song oder ein bestimmtes Album zu kaufen oder etwa nicht? Oder dürfen Dritte nicht dazu aufrufen bestimmte Songs zu kaufen?

Der einzige Hebel, den ich da sehe wären die Einnahmen aus dem Verkauf dieser Songs – der jeweils begünstigte Künstler soll sich ja vorab verpflichten, alle direkten Einnahmen aus der Aktion zu spenden. Aber auch das ist eine Frage, mit der sich mal lieber Juristen auseinander setzen sollen (mag da mal ein Jurist was zu schreiben?). Aber sollte man so eine Chart-Erorberungs-Aktion ohne diese Spenden-Voraussetzung, am besten ganz ohne Beteiligung von Musikern, Labels und Vertrieben durchführen, dann gäbe es doch für Media Control keinen Grund mehr, so einen Song von den Charts auszuschließen? Oder doch? Was wäre denn dann der Grund dafür?

Vielleicht werden wir auf alle Fragen noch Antworten bekommen, vielleicht auch auf keine der Fragen oder auch nur auf einen Teil der Fragen. Und wenn nicht, ich würde was wetten, dass es sich lohnen wird ein wenig Popcorn zu machen und einfach mal den weiteren Verlauf der ganzen Aktion zu beobachten. Und darauf zu hoffen, dass auf dem einen oder anderen Weg am Ende wirklich Geld für Liberia zusammen kommt, das Land kann Hilfe aus reicheren Ländern nämlich auch sehr gut gebrauchen, ganz ohne Erdbeben.

P.S.: und weil ich gerade schon wieder darauf aufmerksam gemacht wurde, von wegen der UN-Botschafter von Liberia sei eine Frau. Stimmt, es gibt aber mehrere Botschafter von Liberia bei verschiedenen UN-Organisationen und der von Tobias genannte gehört dazu

11 Comments

poemmelchen

Man muss den allenfalls anrecherchierten intro-Artikel nicht gut finden, um die ach so toll gemeinte (gähnend langweilig nachgemachte) Aktion fragwürdig zu finden. Denn natürlich ist das allererste Ziel: Herr Huchwill mal wieder in die BILD-Zeitung. Und am besten auch die Bands, mit denen er in Geschäftsbeziehung steht.

Die nächste Frage ist dann: Was ist schlimmm dran, wenn ein Aufmerksamkeitstäter mal etwas Gutes tut? Denkt doch nur an die Kinder! Na dann gucken wir doch einfach Mal, wie das bei den letzten Aktionen von Herrn Huch so war:

http://www.184c.de/

Besonders toll ist die Rubrik „Nachrichten“ – die übrigens seit 2005 so aussieht.

Mal angenommen er will wieder in die Bild-Zeitung, dann frage ich Dich: Na und? So lange es dem angegebenen Zweck der Aktion nicht schadet, tut das doch niemandem weh? Und das mit den Bands ist nun auch nur eine Vermutung. Oder weisst Du mehr? Weisst Du vielleicht auch, welche Bands das sein sollen? Außer diesem Hassan Annouri konnte auch die Intro keine weiteren Beteiligungen finden.

Und was hat eine anscheinend aufgegebene Website mit der Sache zu tun? Wenn man Webseiten in Fleisch umwandeln könnte, dann könnte man aus den ganzen „Zombie-Websites“ im Netz genügend Gammelfleisch produzieren, um Berlins Dönerbuden auf tausende von Jahren hinaus zu versorgen. Oder was genau ist Dein Problem mit der Site? Was willst Du damit zeigen/beweisen?

poemmelchen

dobschat: Den „na und Part“ habe ich oben schon beschrieben. Dass Huch einen „seiner“ Musiker fördern will, steht ja schon in der Projektbeschreibung – wie sonst könnte er schon im Vorhinein den Vertriebsanteil der Musik losgeeist haben?

Und die Webseite 184-c ist eine Aktion von Tobias Huch, in der er exakt so vorgegangen ist wie bei der Chartsaktion: spektakuläre Idee geklautübernommen, kräftig auf die Spendentrommel gehauen – und dann nach kurzer Zeit einfach liegen gelassen.

Ach das steht in der Projektbeschreibung? Soweit ich das sehe und bisher verfolgt habe *sollen* die Einnahmen an dieses Projekt gehen. Die Formulierung „mit der Vertriebsfirma verhandeln wir noch“ kann einen natürlich auf den Gedanken bringen, es stünde schon ein Song fest – auf der anderen Seite könnte es natürlich auch bedeuten, dass mit einem Download-Store (Musicload, iTunes, Saturn…) eine Kooperation im Gespräch ist und diese Gespräche damit gemeint sind? Ich weiss es nicht… Aber mögliches Indiz, aber ein Beweis sieht IMHO anders aus…

Und noch mal: wo ist Dein Problem bei der 184c-Seite? So viele scheinen die Pixel da ja gar nicht gekauft zu haben, auf der anderen Seite gab es ja von Tobias Huch eine Verfassungsbeschwerde gegen 184c. Was nun genau mit dem Geld passiert ist, das über 184c.de eingenommen wurde, wissen wir natürlich beide nicht. Dass die Seite dann liegen gelassen wurde mag vielleicht daran liegen, dass die Verfassungsbeschwerde zwar 2005 eingereicht, aber dann erst 2009 entschieden wurde. Auch das weiss ich nicht, aber man kann Tobias mit Sicherheit vorwerfen, dass er die Pflege der Website vernachlässigt hat – aus welchen Gründen auch immer.

Aber man kann die Sache ja auch mal von der anderen Seite aus betrachten: gehen wir einfach mal davon aus, dass Ziel und Zweck der Aktion tatsächlich das Erzeugen von Aufmerksamkeit für die Situation in Liberia und die Spendensammlung für Liberia ist. Unter dieser Annahme wirst Du nicht bestreiten können, dass die Aktion jetzt schon erfolgreich ist – immerhin kommen alle „Anti-Chartsmanipulations-Gruppen“ mit eigenen Spendenaufrufen für Liberia daher. Offenbar haben sich gerade wegen der Aktion viele Menschen (zum ersten Mal?) damit beschäftigt, dass auch Länder unsere Hilfe brauchen, die nicht gerade von einer Naturgewalt heimgesucht wurden.

Aber was mich an der ganzen Sachen am meisten stört: es wird von vielen immer so getan, als wäre alles, egal was die Kritiker sagen sofort wahr und unantastbar – im Gegenzug aber alles, was Tobias sagt sofort erstunken und erlogen. Ein wenig einseitig, oder?

poemmelchen

Die Vertriebspartner interpretierst Du IMHO falsch, lies nochmal was Huch so in den Foren dazu schreibt.

Wenn Du nackt über die Straße rennst und HAITI! schreist – ist das dann auch schon Charity?

Ich lese die Foren ständig und genau daraus habe ich auch zitiert… aber wie auch immer: wir beide wissen es nicht, es bleibt bei Vermutungen. Und Vermutungen sind nun mal keine Tatsachen und keine Beweise…

Ist nackt über die Strasse laufen und Haiti rufen Charity? Kommt auf die Definition an, aber die Frage kann man auch bei modischen Schleifchen stellen oder bei „Tu dies und das und spende damit für Y“-Events. So lange es keinem schadet (was übrigens von vorne herein ausschließt, dass es den Namen „Charity“ verdienen würde, wenn ich meine Wampe unbekleidet über irgendwelche Strassen bewege, egal was ich dabei schreie…) und einem „guten Zweck“ hilft, warum denn nicht?

Tweets die dobschat.de erwähnt -- Topsy.com

[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von SupSappel, Vinzenz Rothenburg erwähnt. Vinzenz Rothenburg sagte: Web 2.0 macht's möglich: #Facebook-Gruppe will Platz 1 der Single #Charts übernehmen: http://ow.ly/10Q2K #Musik #Crowdsourcing […]