Facebook ist gar nicht kaputt, das soll so!

Wie jetzt? Gestern noch „Facebook ist kaputt“ und heute doch nicht mehr? Es kommt immer darauf an, aus wessen Sicht man das sieht. Für die Nutzer und die Seitenbetreiber bei Facebook sieht es natürlich so aus, als wäre der Newsfeed kaputt. Aus Sicht von Facebook funktioniert der aber immer besser und sie werden ihn weiter „kaputt machen“.
Seitenbetreiber erreichen ihre Fans nicht mehr ohne dafür zu bezahlen, User sehen in ihrem Newsfeed alles mögliche, aber immer seltener noch das, was sie wirklich interessiert – wenn das nicht kaputt ist, was dann?
Es ist die Geschäftsgrundlage von Facebook:

Your brand can fully benefit from having fans when most of your ads show social context, which increases advertising effectiveness and efficiency. We expect organic distribution of an individual page’s posts to gradually decline over time as we continually work to make sure people have a meaningful experience on the site. We’re getting to a place where because more people are sharing more things, the best way to get your stuff seen if you’re a business is to pay for it.

Um es mal zu erklären: Früher hat man versucht für die eigene Seite Fans zu gewinnen, um diese Fans dann auch mit den eigenen Beiträgen zu erreichen. Damit hat Facebook aber kein Geld verdient, also hat Facebook die organische Reichweite von Seiten immer weiter reduziert, also die Zahl der Menschen, die man mit einem Beitrag erreicht ohne dafür an Facebook zu zahlen (wie es mit dieser Reichweite aussieht habe ich gestern kurz beschrieben). Dadurch sind die Fans einer Seite zu reinem „Promotionmaterial“ reduziert worden. Material für Anzeigen, die der Seitenbetreiber schalten soll.
Das muss man sich (und vielleicht auch seinen Kunden) klar machen: Fans einer Seite sind kaum noch die Zielgruppe der Beiträge einer Seite. Wenn es nach Facebook geht (und auf facebook.com geht es nach Facebook), dann sammelt ein Seitenbetreiber die Fans nicht mehr, um sie mit den Seitenbeiträgen anzusprechen, sondern um genügen „Material“ für „soziale Anzeigen“ zu haben. Das sind diese Anzeigen, bei denen drunter steht, dass dieser oder jener Deiner „Freunde“ schon Fan einer Seite ist.
Und das bestreitet Facebook gar nicht, die Formulierung ist etwas netter, aber man kann das natürlich in deutliche Worte übersetzen:

Wenn Du willst, dass Deine Beiträge jemand sieht, dann zahl gefälligst dafür!

Und da sind wir wieder bei den Gatekeepern, die es doch eigentlich im Internet gar nicht geben sollte, aber wir haben diese Gatekeeper geschaffen (wir haben das Internet kaputt gemacht) und jetzt müssen wir schauen, wie wir damit umgehen.
Auf der einen Seite stellt sich natürlich die kurzfristige  Frage, wie man diese Beschränkungen von Facebook umgehen und seine Beiträge ohne die Zahlung von Schutzgeld das Buchen von Anzeigen an die Fans bringt – viel wichtiger ist doch aber die Frage, wie wir langfristig das Internet wieder reparieren. Es geht ja nicht nur um die Gatekeeper-Funktion, die wir Facebook, Google, Apple und Amazon (Aufzählung nicht vollständig) durch unser Nutzungsverhalten gegeben haben, wir haben es auch ermöglicht, dass wir vergleichsweise einfach abzuhören und zu kontrollieren sind.

11 Comments

Markus Brixius

Ich wäre bereit zu zahlen, wenn ich statt 100% Leser z.B. 300% Leser erreichen würden. Aber nicht statt 30% normal 120% gesponsert. Für Likes Geld bezahlen kenne ich eigentlich nur aus dem Rotlichtmilieu.

Uwe Caspari

Ich habe meinen eigenen Mailserver, einen Jabberdienst und einen eigenen WordPressblog laufen. Spätestens wenn es aber darum geht so etwas wie eine Facebookseite nicht für privat sondern für einen Verein/eine Band/etc… zu betreiben stelle ich mir die Frage: Was ist die Alternative?
Als Nutzer kann man sagen: Scheiß auf Facebook, ich kann mich ohne informieren. Aber als Seitenbetreiber ist es nicht so einfach darauf zu verzichten, da man schließlich die Leute erreichen möchte, die eben nicht auf FB verzichten wollen.

Carsten Dobschat

Beispiel Band: Früher war es MySpace („geht gar nicht ohne!“), heute Facebook und in ein paar Jahren dann $supertollesnetzwerk. Am besten fährt man immer mit einer eigenen Website und der Nutzung von irgendwelchen Diensten nur zur weiteren Verbreitung und/oder zur Kommunikation (die andere Frage, aber dazu schreibe ich noch, ist dann natürlich wie man diese Dienste nutzt ohne horrende Summen zu bezahlen). Aber man kann sich auch immer überlegen, ob man einen Dienst nutzen will oder nicht.
Wer sagt denn, dass jeder Verein und jede Band wirklich eine Facebook-Seite braucht? Wo ist noch mal festgelegt, dass wir x Stunden unserer Zeit damit zubringen müssen Promotion für ein Milliardenunternehmen zu machen, das von uns dann auch noch Geld dafür verlangt? Ja, es rennen sehr viele potentielle Nutzer auf Facebook rum, wenn sich aber am Ende keiner mehr leisten kann oder will dafür zu bezahlen diese zu erreichen…? Die Nutzer sind ja nicht wegen Facebook bei Facebook, sondern wegen der Inhalte, die von anderen Nutzern und Seitenbetreibern dort rein gebracht und geteilt werden.

Uwe Caspari

Dass erst einmal eine eigene Seite gehört, da stimme ich dir absolut zu und das sage ich auch immer wieder. Aber man muss eben bestehende #supertollenetzwerke nutzen, um zu promoten. Klar, die Nutzer sind hier, weil es so viel Inhalt gibt, dafür gibt es die Inhalte hier, weil man denkt, man kann ohne nicht.
Wie du ja sagst, es gibt Feedreader und man kann sogar direkt persönlich die Seiten die interessieren abklappern (das mache ich hauptsächlich), aber da andere das nicht machen und ich die erreichen möchte, bin ich in gewisser Weise zu FB und co genötigt.

Carsten Dobschat

Naja, wenn Du Menschen bei Facebook sicher erreichen willst, dann musst Du dafür arbeiten (Artikel dazu kommt die Tage auf bandpromo) oder eben Geld in die Hand nehmen…

Wie schaffe ich Reichweite bei Facebook? « Bandpromo

[…] reduziert – Facebook sagt, um die Newsfeeds der Benutzer benutzbar zu halten, andere sagen, um Seitenbetreiber besser abkassieren zu können. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo […]

Eins plus eins sind viele | Singvøgel

[…] Unsere Reichweite über’s Netz ist doch einigermaßen begrenzt – auf Facebook erreichen wir aufgrund der fiesen neuen Algorithmen sowieso nur noch einen Bruchteil unserer Fans. […]

Wie schaffe ich Reichweite bei Facebook? › Dobschat

[…] reduziert – Facebook sagt, um die Newsfeeds der Benutzer benutzbar zu halten, andere sagen, um Seitenbetreiber besser abkassieren zu können. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo […]