Der Amoklauf von München

Jede Menge Gedanken schwirren mir durch den Kopf zum Amoklauf gestern in München und vor allem zu den verschiedenen Reaktionen oder auch Nicht-Reaktionen. Dies hier ist einfach nur ein Versuch, diese ganzen Gedanken mal ein bisschen zu sortieren.
Amoklauf
Nach allem, was aktuell bekannt ist, handelte es sich wohl um einen Amoklauf und nicht um einen Terroranschlag. Ein islamistischer Hintergrund wird nach aktuellem Stand der Ermittlungen ausgeschlossen, es gibt keinen Bezug zu geflüchteten Menschen oder dem sogenannten IS – für einen Amoklauf wurden dagegen sehr viele Hinweise gefunden.
Dass die Polizei die Situation gestern als möglichen Terroranschlag behandelt hat, war auf jeden Fall richtig. Nach den Augenzeugenberichten musste man davon ausgehen, dass es sich um einen Anschlag mehrerer Täter handeln könnte. Und es ist ja auch nicht unmöglich, dass es islamistische Anschläge auch in Deutschland gibt.
Augenzeugen
Es gab wohl um die 100 Augenzeugen und trotzdem oder auch eben gerade deswegen, waren die Informationen zu den Ereignissen gestern, zur Zahl der Täter usw. gestern sehr widersprüchlich. Nachvollziehbar scheint inzwischen, woher die Vermutung zu zwei Komplizen stammte: Hier wurden wohl zwei Zivilpolizisten für Komplizen gehalten, da sie eben nicht als Polizisten zu identifizieren waren.
Psychologische Behandlung
Eine Form von Depression soll der Täter gehabt haben, er soll in psychologischer, vielleicht sogar psychiatrischer Behandlung gewesen sein. Er hat sich offenbar intensiv mit anderen Amokläufen auseinander gesetzt, es wird sogar von einer regelrechten Besessenheit gesprochen. Da muss man sich doch fragen, warum niemand hier etwas gemerkt hat. Eine Frage, die sich nach jedem Amoklauf stellt und die wahrscheinlich diejenigen, die etwas gemerkt haben könnten, am intensivsten beschäftigen dürfte. Ich will nicht in deren Lage sein, sich heute selbst fragen zu müssen, warum man nichts gemerkt hat, sich wahrscheinlich auch selbst eine Mitschuld zu geben, weil man nichts gemerkt hat.
Gerüchte
Erschreckend war die Zahl an Gerüchten und auch bewusst gestreuten Falschinformationen während der ganzen Zeit. Da wurden Fotos von ganz anderen Ereignissen verteilt, nur um ein paar Klicks, Likes und Follower zu gewinnen. Oder um gegen Muslime, Flüchtlinge, linksgrünversiffte Gutmenschen, Merkel oder wen auch immer zu hetzen.
Hetze
Schlimmer als die Gerüchte war nur noch die Hetze, die sofort begann, als bekannt wurde, dass in München jemand durch die Gegend schiesst. Ich will da gar nicht zu viele Beispiele bringen, wer sich davon selbst ein Bild machen möchte, der wird an vielen Stellen im Netz fündig.
Hetze Muenchen

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Natürlich erwartet man von AfDern und weniger schüchternen Rechtsextremisten nichts anderes, dass sich so mancher CDU- und CSU-Politiker und -Anhänger da dran hängt kann auch nicht mehr wirklich wundern. Und natürlich geht die Hetze weiter, da wird unterstellt, dass Informationen zurück gehalten würden, weil die Regierung den angeblich islamistischen Hintergrund vertuschen wolle. Es ist einfach nur widerlich. Und gestern Nachmittag machte ich mir noch so meine Gedanken über Verschwörungstheorien, die immer gefährlicher werden.
Ach ja, gegen Renate Künast und die Grünen wurde und wird natürlich in dem Zusammenhang auch kräftig gehetzt. War klar…
Polizei München
Muss man auch mal sagen: Die Polizei in München hat nach allem, was man von außen sehen konnte, wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet. Gerade auch das Verbreiten der Informationen über soziale Netzwerke und nicht zuletzt der Pressesprecher, der sich von der x-ten Wiederholung der immer dümmeren Fragen der Journalisten nicht aus der Ruhe bringen liess. Wo er mal die Augen gerollt hat, wäre ich an seiner Stelle längst ausgeflippt und hätte die Journalisten mal deutlich gefragt, ob bei denen noch alles klar in der Birne wäre.
Offensichtlich haben die Pläne für solche Fälle in München ziemlich gut funktioniert, einzig die Aussage, dass die Verwechslung von zwei Zivilpolizisten mit Mit-Tätern durch Zeugen nicht an die Zentrale übermittelt werden konnte, weil der Polizeifunk überlastet war… Echt jetzt? Da besteht ganz offensichtlich ein gewaltiger Handlungsbedarf.
Journalisten
Wobei die natürlich auch nur ihren Job gemacht haben, irgendwie musste die ganze Sendezeit ja gefüttert werdend man brauchte ja O-Töne, also wurden die immer gleichen und teilweise wirklich enorm dummen Fragen immer und immer wieder gestellt. Diese ständige Wiederholung der immer gleichen Aussagen und Vermutungen hat aber nun wirklich keinen Beitrag dazu geleistet, sich gut informiert zu fühlen. Zumindest bei mir nicht. Und irgendwelche Tweet-Vorleser Social-Media-Experten, die immer wieder die gleichen Tweets und Facebook-Postings vorgelesen haben und eine ganze Truppe von Terrorexperten, die immer wieder betont haben, dass es ein Terroranschlag sein könnte oder eben auch nicht und die Grenzen zwischen Amoklauf und Terroranschlag ja inzwischen irgendwie fliessend wären… Sorry, aber das geht echt besser. Einfach eine Sondersendung, danach das normale Programm und wenn es wirklich was neues gibt, dann unterbricht man das Programm und kann ansonsten den aktuellen Stand als Laufband einblenden. Aber gleich das gesamte Programm kippen und eine stattdessen eine Dauerwerbesendung für potentielle Amokläufer zu bringen… Trotz dem Bedürfnis nach Informationen muss ich im Nachhinein sagen, dass das wohl einfach zu viel war.
Amokläufer
Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen in diesem Land gerade irgendwo sitzen und sich überlegen, ob und wie sie ihr Lebensende mit einem Amoklauf zu einem großen Event machen können. Gestern wurde ihnen ja gezeigt, dass man heute schon ganz alleine eine ganze Stadt lahmlegen und ein ganzes Land in Aufregung versetzen kann – selbst der US-Präsident hat sich geäußert. Wenn es Amokläufern tatsächlich darum geht, für möglichst viel Aufmerksamkeit zu sorgen, dann wurde solchen Menschen gestern gezeigt, wie einfach das zu erreichen ist…
Politik
Die Reaktionen waren vorhersehbar, nicht nur die von rechts und ganz rechts aussen und glücklicherweise hat diesmal keiner eine Künast-Frage gestellt (also eine eigentlich selbstverständliche Frage zum falschen Zeitpunkt im falschen Medium stellen), nur das Ausbleiben einer Reaktion von Angela Merkel wirkte etwas irritierend. Andererseits hat sich der Bundespräsident geäußert, der Regierungssprecher, verschiedene Minister – es gab also durchaus Reaktionen von der Regierung. Was hätte die Kanzlerin darüber hinaus sagen können oder sollen? Eben. Und wenn sie was gesagt hätte, dann wäre die Kritik nicht „Merkel schweigt“ gewesen, sondern es wäre auf dem Rumgehackt worden, was sie gesagt oder angeblich in ihrer Ansprache nicht gesagt hätte. Vorhersehbar.
Opfer
Es fällt schwer, das Mitgefühl für die Opfer in Worte zu fassen. Für alle Opfer, natürlich die Getöteten und deren Angehörigen, auch die Angehörigen des Täters gehören zu den Opfern. Es ist schrecklich, dass Menschen ihr Leben genommen wurde, das ist schrecklich für die Angehörigen der Opfer. Da fehlen mir einfach die Worte, um das aufzuschreiben…

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