Um der alten Zeiten willen…

Wirklich gut befreundet waren wir nie, wir sind uns halt mal über die Füsse gelaufen, hatten einen ähnlichen Musik-, Kneipen- und leider auch Frauengeschmack und hatten beide Jobs im IT-Bereich (oder hiess es damals noch EDV? Naja, was mit Computern und Internet halt). Den einen oder anderen haben wir miteinander getrunken, aber das ist alles eine gefühlte Ewigkeit her. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist es wirklich eine Ewigkeit. Elf Jahre. Elf Jahre seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten und dann bis heute kein Lebenszeichen, keine Karte zum Geburtstag, keine „Hey, Du hast geheiratet – das wolltest Du doch nie“-Mail oder irgendwas. Wirklich schlimm fand ich das ehrlich gesagt auch nicht. Wie gesagt, wirklich gut befreundet waren wir nicht und einen trinken gehen kann und konnte ich auch prima mit anderen Leuten, mit denen ich nicht wirklich gut befreundet war oder sogar wirklich guten Freunden.
Hat mich dann doch überrascht, dass plötzlich eine Mail von Dir kam. Aus heiterem Himmel. Dann las ich die Mail und wusste nicht: Soll ich lachen oder weinen? Ich entschied mich für etwas Facepalmierung. Jetzt mal ehrlich, was hast Du für eine Antwort erwartet auf:

Hey Dobschat!

Lange her, Dir scheint es ja ganz gut zu gehen. Kannst Du mir vielleicht helfen, ich suche dringend einen Job…

Sorry, da konnte ich nicht mehr weiter lesen. Natürlich könnte ich Dir jetzt erzählen, dass es mir vielleicht gar nicht mal so gut geht wie alle denken, ich den echten Frust aber gar nicht in die Welt posaune? Würde Dich wahrscheinlich nicht interessieren. Klar, unsere (ich bin ja schließlich verheiratet, da wird alles fair geteilt, auch die Probleme) Probleme mögen Luxusprobleme sein, wie das Warten auf den neuen Arbeitsrechner, um endlich wieder vernünftig arbeiten zu können. Keine Frage. Und uns droht auch nicht in drei Monaten von der Agentur für Arbeit ausgezogen und durchleuchtet zu werden, weil wir ALGII beantragen müssten, um noch was zu Fressen zu haben. Gar keine Frage, ganz objektiv betrachtet geht es uns tatsächlich richtig gut.

Aber mal ehrlich: Nach 11 Jahren so ankommen? Vielleicht wüsste ich sogar die eine oder andere Stelle, die vielleicht passen könnte – zumindest auf den Typ, der Du vor 11 Jahren warst. Vor 11 Jahren! Aber Du erwartest ja nicht nur das, Du hättest auch gerne eine Empfehlung, weil ich doch sicher Leute kennen würde, die jemanden wie Dich brauchen könnten (ja, ich habe doch weiter gelesen). Ich wiederhole zur Sicherheit: 11 Jahre. Muss doch nur mal schauen, wie ich mich in den letzten 11 Jahren verändert habe oder andere Menschen, die ich so lange kenne und die nicht auf Tauchstation gegangen sind – ganz ehrlich: Ich würde wahrscheinlich niemandem empfehlen mich einzustellen wie ich vor 11 Jahren war. Zumindest nicht, wenn sie alternativ mich einstellen könnten, wie ich heute bin.

Wie auch immer, ich werde Deine Mail löschen und nicht darauf antworten. Da Du ja zu wissen glaubst, dass es mir gut gehen würde liest Du wohl hier mit, also spare ich der Umwelt die Abholzung eines digitalen Baumes für die Bits und Bytes, die für eine eMail an Dich drauf gegangen wären.

Und Tipp für alle anderen, die sich immer nur dann melden, wenn sie sich Hilfe bei ihren Problemen erhoffen: Wenn Ihr es schaffen würdet, zumindest in der ersten Mail nach X Jahren so zu tun, als würde es Euch nicht nur um die Lösung Eures Problems gehen und würdet Ihr Euch wenigstens erkennbar bemühen so was wie echtes Interesse zu heucheln (es muss auch nicht überzeugend sein, aber Mühe müsst Ihr Euch wenigstens geben) dann hättet Ihr auch echte Chancen, dass mir für Euer Problem mehr einfällt als „Und warum sollte mich das interessieren? Ich habe genug eigene Probleme!

Wirklich jetzt, von mir aus sind meine gar keine echten und wenn überhaupt nur Luxusprobleme, könnt Ihr gerne so sehen – aber diese Probleme und die von Freunden (das sind so Menschen, die sich auch mal melden, wenn sie gerade nicht den Kopf hängen lassen, weil sie bis zum Hals in der Scheisse stehen) sind mir einfach wichtiger…

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Luxusprobleme: Essen auf Rädern | Dobschat

[…] ich es erst mit Luxusproblemen hatte: Dann und wann genehmigen wir uns ja „Essen auf Rädern“, es gibt einfach Tage, da will man das […]