Polizei und Verfassungsschutz brauchen ein Ticket-System

Ja, das brauchen die. Unbedingt. So ein modernes Ticketsystem hat tolle Features, es kann zum Beispiel Anfragen aufgrund von Stichwörtern bestimmten Bereichen zuordnen, es können Filter über die Anfragen gelegt werden, so dass man zum Beispiel die in die eingereichten Tickets enthaltenen Webadressen einfach filtern und sich eine Liste ausgeben lassen kann, welche Adressen wie wie oft rein geschickt wurden. Da sind ganz ganz tolle Sachen möglich. Und es wird Zeit für so was. Denn nicht erst seit Seiten wie Perlen aus Freital sammeln, was Rassisten in Deutschland tagtäglich  und teilweise ohne Scham unter ihrem Klarnamen ins Netz pusten, fällt auf, dass es mehr wird. Immer mehr. Und es wird widerlicher und immer öfter wird dabei eine Grenze überschritten. Die Grenze vom widerlichen Rassismus und dummen Parolen hin zu Straftaten wie  Volksverhetzung, Holocaustleugnung und Aufrufen zu Gewalt und Mord.

Und dann erfährt man immer wieder, dass Verfassungsschutz und Polizei da nicht von selbst tätig werden. Man wäre auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Nur wie? Also mal schauen. Ich wohne im Saarland, also schaue ich doch mal nach dem „Meldeformular für Volksverhetzung, Holocaustleugnung, Gewaltaufrufe und andere rechtsradikale Absonderungen im Internet“ bei der Polizei und dem Verfassungsschutz. Wenig überraschend: Es gibt keins. Man kann im Saarland nicht mal online eine Strafanzeige erstatten:

Den Verdacht einer strafbaren Handlung können Sie der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder beim Amtsgericht mündlich oder schriftlich mitteilen.

Empfehlenswert ist es, unmittelbar nach der Tat die Polizei zu verständigen und Ihre Anzeige zu Protokoll zu geben. Dies hat den Vorteil, dass die Polizei sie ausreichend zum Tathergang befragen und sofort die Ermittlungen aufnehmen kann. Die Polizei hat dann auch Gelegenheit, Sie über den weiteren Werdegang des Ermittlungs- und Strafverfahrens zu informieren, Ihnen Ihre Rechte aufzuzeigen und Sie über Einrichtungen der Opferhilfe zu orientieren. Wenn Sie Fragen haben, fragen Sie. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden bemüht sein, Ihnen eine zufriedenstellende Antwort zu geben.
Sie sind immer noch unsicher? Nehmen Sie eine Person ihres Vertrauens zur Anzeigenerstattung mit. Wenden Sie sich vertrauensvoll an die Polizei.

Schriftlich oder mündlich. Nun, beides habe ich schon getan. Es ging in beiden Fällen um Online-Geschichten und in beiden Fällen wurde ich gebeten doch vorbei zu kommen, alles auszudrucken… Echt jetzt, ich sollte alles ausdrucken. In einem Fall ging es um Identitätsdiebstahl, das waren etliche Seiten und der Beamte, der es aufgenommen hatte, konnte mit dem Thema genau gar nichts anfangen. Wie soll ich so jemandem erklären, worum es geht, wenn er schon Probleme hat zu glauben, dass es etwas wie eBay gibt und man dort nicht seinen Ausweis auf einen Tisch legen muss, um einen Account anzulegen. Wirklich.

Natürlich kann sich nicht jeder Polizist mit diesem Internetkram auskennen, muss ja auch nicht sein, aber gerade wenn es um den immer stärker werdenden Rassismus geht, der zu immer häufigeren Straftaten wie Volksverhetzung und Aufrufe zu Gewalttaten führt, die innerhalb von Minuten begangen werden können, halte ich es für ein klitzekleines bisschen weltfremd von den Bürgern zu verlangen sich für jeden dieser Kommentare Stunden Zeit zu nehmen, um sie zur Anzeige zu bringen, in der Hoffnung an einen Beamten zu geraten, der weiß was Facebook und was eine IP-Adresse ist. Auf einen Computer mit Internetzugang in jeder Dienststelle braucht man wahrscheinlich immer noch nicht zu hoffen oder hat sich da was getan?

Keine Ahnung, wie das beim Verfassungsschutz ist, aber ich fürchte im Zweifel auch nicht viel besser. Und jetzt mal ehrlich: Die Rassisten, die Nazis, die hauen ihren Müll im Minutentakt ins Netz, wer es zur Anzeige bringen will, der wird erstmal vom potentiellen Zeitaufwand abgeschreckt. Also bleiben wahrscheinlich die meisten solchen Äußerungen folgenlos. Deswegen brauchen Polizei und Verfassungsschutz Ticketsysteme. Jeweils eine Website und/oder Mailadresse, an die man entsprechende Meldungen schicken kann und die maschinell vorsortiert werden, so dass die Beamten dort möglichst schnell und effizient prüfen können, ob in solchen Kommentaren die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wurde oder nicht (bzw. im Falle des Verfassungsschutzes, ob die Äußerung von einem bekannten Rechtsradikalem, einen bislang unbekannten oder einem V-Mann stammt ;)).

Also habe ich bei beiden Stellen im Saarland deswegen mal nachgefragt – der Auto-Responder der Polizei macht schon mal keine großen Hoffnungen…

Dies ist eine vom System erzeugte Meldung; diese gilt nicht als Quittung.

Ihre eMail wird dem Adressaten umgehend zugeleitet.

Wir weisen darauf hin, dass auf diesem Wege keine Anzeige erstattet bzw. auch kein Hilfeersuchen an die Polizei gerichtet werden kann.
Dringende Hilfeersuchen sind ueber die Notrufnummer 110 an die Polizei zu richten.
Wir uebernehmen auch keine Gewaehr dafuer, dass die eMail unmittelbar nach dem Eingang gelesen oder bearbeitet wird.

Es kann doch nicht sein, dass die Rassisten, Nazis und Abernazis ungestraft weiter zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufrufen und den Holocaust leugnen können, nur weil die zuständigen Behörden technisch nicht mal auf dem Stand von vor 10 Jahren, sondern irgendwo im letzten Jahrtausend hängen geblieben sind…  Ständig hört man die Leier vom Internet, welches kein rechtsfreier Raum sein dürfe, aber anscheinend gilt das nur, wenn es um die Durchsetzung der Rechte von Medienunternehmen geht, die gegen „Raubkopierer“ vorgehen wollen?

P.S.: Das Beitragsbild habe ich mir ganz dreist im bereits erwähnten Tumblr-Blog Perlen aus Freital gemopst.

P.P.S.: Übrigens hat Facebook zwar ein sehr gutes Meldesystem, aber dafür komplett verquere Community-Standards, bei denen ein weiblicher Nippel ganz böse, aber der Aufruf gegen ein Flüchtlingsheim mit Waffengewalt vorzugehen absolut okay ist.

0 Comments

Flüchtlinge - ich will es nicht mehr hören! - Dobschat Rebooted

[…] und zwar aus wirklich seriösen Quellen und davon auch gerne mehrere. Und ich will, dass es uns die Polizei nicht unnötig schwer macht Dinge wie Aufrufe zu Straftaten und Volksverhetzung im Netz … (nein, auf meine Anfrage habe ich noch keine […]

Meinungsfreiheit - Dobschat Rebooted

[…] rechten Hetzer in den sozialen Medien etwas entgegenzusetzen. Es ist alles nicht ganz einfach, selbst eine Anzeige wegen Volksverhetzung zu stellen wird einem oft genug unnötig schwer gemacht. Man müsste den geforderten „Aufstand der Anständigen“ […]