Ja, ich bin wirklich alt

Wirklich, ich bin echt alt geworden. Und das merke ich jeden Tag, nicht aufgrund irgendwelcher körperlicher Gebrechen, aber wenn ich mir so die diversen Glaubenskriege „Mein Betriebssystem ist viel geiler als Deins“ anschaue. Habe mich ja früher wirklich gerne und ausgiebig an solchen Diskussionen beteiligt, die waren ja auch wirklich unterhaltsam – früher. Aber inzwischen finde ich es nur noch putzig, wie sich da manche rein steigern können. Ist klar, wer sich für das jeweils andere System entscheidet, der ist entweder blöd, wurde einer Gehirnwäsche unterzogen oder verwendet heimlich das favorisierte System und wird nur dafür bezahlt, zu behaupten das andere System zu nutzen. Gähn. Ich kann gerade nicht mal mehr richtig nachvollziehen, was ich früher an solchen Diskussionen so unterhaltsam fand. Sollten demnächst Nachrichten durch die Zeit geschickt werden können, dann würde ich wohl meinem jüngeren Ich schreiben, dass der diesen Quatsch einfach lassen soll, nur um mir heute damit die Frage an mich selbst zu ersparen, was mich da damals geritten hat.

Andererseits habe ich früher auch andere Sachen gemacht, für die ich dann irgendwann zu alt war. Im Sandkasten spielen, Mädchen grundsätzlich eklig und doof finden, Sauftouren einzig zum Zweck maximal besoffen zu sein (und trotz des Wissens um den Kater am folgenden Tag), mehrere Tage am Stück irgendwelche Konsolenspiele zocken und wirklich nur für die absolut notwendigen körperlichen Bedürfnisse aufstehen (fragt nicht, fragt einfach nicht)… aus heutiger Sicht ziemlich bescheuerte Möglichkeiten die Zeit rumzubringen. Aber das gehört wahrscheinlich einfach dazu, also zu diesem „älter werden“. Und eigentlich war manches davon ja doch auch ganz lustig 😉

Aber wegen der Betriebssystem-Diskussionen: Drauf gekommen bin ich ja wegen des Beitrags da bei Netbooknews – ich befasse mich jetzt seit ein paar Tagen wirklich sehr intensiv mit einem HTC One X, eben auch in Hinblick auf den Vergleich mit dem iPhone. Der Witz an der Sache: Was heute der Grund dafür ist, dass ich persönlich ein iPhone nutze, wäre vor 10 Jahren wahrscheinlich der Grund gewesen, mir ein Android-Smartphone zuzulegen. Unglaublich viele Möglichkeiten an etlichen Ecken und Enden des Systems was zu schrauben und einzustellen und zu konfigurieren – eine fantastische Spielwiese, wenn man den spielen will. Will ich aber gar nicht (von Angry Birds zwischendurch abgesehen ;)), hauptsächlich will ich mit meinem Smartphone Mails checken, Zugriff auf meine Termine haben, dann und wann mal was Knipsen, was bei Twitter oder Facebook posten und Musik hören. Ach ja, hin und wieder telefoniere ich auch damit. Alles andere, echtes Multitasking, Apps aus beliebigen Quellen installieren, verschiedene Themes und Möglichkeiten die Oberfläche individueller zu gestalten, wie viele Cores der Prozessor hat und wie viel RAM im Smartphone steckt und was es nicht alles gibt – interessiert mich nicht. Zumindest nicht bei dem Gerät, das ich jeden Tag mit mir rum trage. Und da kommt mir der goldene Käfig iOS echt entgegen: Was das Gerät können soll, das kann es so wie es soll und immer gleich.

Und von wegen Apple sperrt einen ein und nimmt einem Freiheiten – soweit es mich betrifft kann ich fast alles, was ich an Daten habe und alles, was ich an Daten brauche auch auf jede andere Plattform mitnehmen. Ich persönlich habe da nicht den Eindruck, dass mich Apple hier irgendwie behindert (vom elenden DRM bei Filmen, Serien und Büchern aus dem iTunes Store abgesehen, DAS nervt wirklich). Aber alles andere? Kann ich ohne Probleme durch die Gegend schieben – ob ich meine Kalender nun per Google oder iCloud synce ist egal – es funktioniert beides, wenn es sein muss auch gleichzeitig. Sollte ich mich bei der nächsten Vertragsverlängerung für ein Android-Smartphone entscheiden, dann wäre das auch kein großes Problem. Zwei, drei Schalter an meinem Mac ändern und die wirklich wichtigen Daten landen eben dort statt auf einem iPhone. Kinderspiel. Und was wirklich witzig ist: Wie ich meine Daten ggf. auf eine andere Plattform bekommen und dort weiter damit arbeite könnte gehört zu den Themen, mit denen ich mich immer wieder beschäftige, inklusive Testmigrationen auf einen Linux- und einen Windows-Desktop in virtuellen Maschinen. So lange für mich persönlich die Vorteile der Apple-Plattformen die Nachteile (zu denen ich durchaus auch die Geschäftspolitik des Konzerns zähle) überwiegen, so lange werde ich diese Plattform nutzen – und wenn es irgendwann anders aussieht, dann switche ich eben.

Puuuuhhhh, klingt langweilig, ist es vielleicht auch, aber es funktioniert und lässt viel Zeit für viele wichtigere Dinge als virtuelle Glaubenskriege 🙂

5 Comments

Sehr schön geschrieben und quasi auf den Punkt gebracht.
Seitdem ich das iPhone habe interessieren ich andere Telefone herzlich wenig, weil ich mich wohl mit “der Gerät” fühle. Es macht das was es soll und das eingesperrt sein nimmt einem die Versuchung etwas zu verbasteln, so wie es mit einem JB ziemlich schnell immer wieder passiert, die Büchse läuft dann nicht mehr richtig rund.

Stephan (Der Echte)

“… aus heutiger Sicht ziemlich bescheuerte Möglichkeiten die Zeit rumzubringen. Aber das gehört wahrscheinlich einfach dazu, also zu diesem „älter werden“. ”
Weißt’, woran das liegt? Unterschwellig ist Dir langsam klar, wie knapp Deine Zeit hier ist. Schlimmer noch: Die wenige Zeit wird Dir auch noch geraubt, weil Du Dinge tun /musst/, die notwendig sind, aber keinen Spaß machen. Für das, was man erreichen will und das einem wichtig ist und Spaß macht, ist eher zweitrangig, womit man zum Ziel kommt. Hauptsache man kriegt’s hin. Würde doch kein normaler Mensch vorm vögln über die Kondom/marke/ diskutieren…