Die Bahn will mich verschaukeln

Mein Verhältnis zur Bahn ist tatsächlich wohl so eine Art Hassliebe. Klar, auch ich hatte eine Märklin-Bahn, war ein Zugfan und wollte irgendwann auch mal Lokomotivführer werden. Und an sich fahre ich auch ganz gerne längere Strecken mit der Bahn, das ist einfach bequemer. Fliegen ist sowieso nur selten eine Option und selbst wenn, dann ist das innerhalb Deutschlands nicht wirklich viel schneller, da man ja relativ früh am Flughafen sein muss, dann die Sicherheitschecks, das Getue mit dem Gepäck immer und billiger ist es auch nicht, zumindest nur selten. Und die Fernbusse… naja, wer sich nicht vorstellen kann, wie unangenehm das ist, der soll einfach mal 5 Stunden in so einem Ding sitzen.


Wie auch immer: Ich fahre viel mit der Bahn, so viel, dass ich das mit einer BahnCard 100 mache. Praktische Sache das: 100% Rabatt auf den Fahrpreis, egal ob ich spontan in einen Zug steige oder Wochen vorher buche. Ich buche nur noch Reservierungen, denn es ist zwar angenehm bei einer Zugfahrt zwischendurch auch mal aufstehen und ein paar Schritte gehen zu können, aber eine ganze Fahrt lang irgendwo blöd rumstehen macht noch weniger Spaß als mit dem ganzen Gepäck durch 4 überfüllte ICE-Wagen zu pilgern, um irgendwo noch einen freien Sitzplatz zu ergattern. So eine Reservierung ist für die gebotene Leistung mit 4,50 Euro auch nicht wirklich billig, aber der Preis geht schon okay, für ein bisschen Bequemlichkeit und die beinahe sichere Möglichkeit im Zug auch ein wenig was arbeiten zu können. Bonus-Punkte gibt es – natürlich – keine für die reinen Reservierungen. Aber deswegen fühle ich mich von der Bahn jetzt gerade nicht verschaukelt.

Nein, es geht um die Mails, die mir die Bahn schickt: Gefühlt alle zwei Wochen (real etwas seltener) landet mal wieder so ein „eCoupon“ in meinem Postfach. Mal 5 Euro, hin und wieder auch 10 Euro. Und ich fühle mich davon echt verarscht. Warum? Damit könnte ich doch meine Reservierungen bezahlen? Nein, das geht natürlich nicht, denn:

*Der eCoupon kann bis zum 30.11.2015 (Reisezeitraum 13.12.2015 bis 31.12.2015) beim Kauf eines ICE-/IC/EC-Online- oder Handy-Tickets innerhalb des Bestellprozesses über bahn.de, in der App DB Navigator und über m.bahn.de eingelöst werden. Der Mindestbestellwert beträgt 29 Euro (nach Abzug weiterer Rabatte und ohne Reservierung). Es kann nur ein eCoupon pro Fahrt eingelöst werden. Umtausch, Erstattung und Barauszahlung der eCoupons sind ausgeschlossen. Bei Erstattung des gebuchten Online- bzw. Handy-Tickets wird der Betrag von 5 Euro nicht berücksichtigt. eCoupons, die im genannten Zeitraum nicht eingelöst werden, verfallen ersatzlos. Bitte notieren Sie sich Ihren persönlichen eCoupon, bevor Sie die Mail löschen. Der eCoupon kann bei Verlust nicht ersetzt werden.

Okay, 29 Euro sind doch zu schaffen, wenn man eine Fahrkarte bestellt, oder? Ja natürlich, wenn man eine Fahrkarte bestellt ganz sicher. Aber wie oft kauft jemand eine Fahrkarte, der im Besitz einer BahnCard 100 ist? Ich zumindest so eher gar. Und die Bahn weiß das eigentlich, denn immerhin wissen die ja nicht nur, dass ich eine BahnCard 100 besitze, die wissen ja auch, was ich in den letzten Jahren an Fahrkarten gekauft habe. Jede einzelne Reservierung. Denn seit Jahren, schon lange bevor ich meine erste BahnCard 100 hatte, bestelle ich bei denen alles online oder hin und wieder auch telefonisch. Also muss doch die Bahn „wissen“, dass mir diese ganzen tollen eCoupons bei meinem Nutzungsverhalten so genau überhaupt gar nichts bringen.

Also warum schicken die mir das trotzdem? Also vielleicht ist das mit der Datenverknüpfung bei der Bahn noch nicht so weit her, obwohl das technisch kaum ein Problem wäre. Wenn das bei der Bahn also nicht gemacht wird, dann muss es wohl Gründe dafür geben, warum der nicht investiert wird. Vielleicht hält die Bahn es ja einfach für nicht wichtig genug, geht ja nur um Kundenservice? Oder die finden das mit dem Datenschutz so unglaublich extrem wichtig, dass die nicht mal dann Kundendaten zusammen führen, wenn es im Interesse des Kunden wäre? Was irgendwie schon lächerlich wäre, wenn man sich überlegt, wer heute auf welchen Wegen möglichst viele Daten von uns sammelt und miteinander verknüpft.

Oder aber da sitzen irgendwelche Scherzkekse bei der Bahn, die sich hin und wieder denken: „Hey komm, lass uns mal ein paar BahnCard 100 Besitzern sinnlose eCoupons schicken…“ (und sich dabei natürlich wie die Könige des Comedy fühlen). Denn würde dort jemanden wirklich interessieren, dass die Kunden mit den ach so großzügigen Gutschein-Geschenken auch was anfangen können – und sich nicht verschaukelt fühlen – dann würden die den BahnCard 100 Besitzern statt sinnloser eCoupons vielleicht Gutscheine für Reservierungen schicken? Also etwas, was dem Empfänger auch was bringt. Nur so als Idee.

Klar, Luxusproblem, aber es nervt mich langsam: An allen Ecken und Enden werden Profile über mich gebildet, dank irgendwelcher Cookies wissen Werbenetzwerke, dass ich eben noch nach einem Lego-Set gesucht habe und präsentieren mir dann die passende Werbung. Google, Apple und Microsoft erklären die umfassende Datensammlung und -verarbeitung gar zum ultimativen Feature (und sind wir mal ehrlich: Google Now, Siri und Cortana funktionieren geradezu widerlich gut). Amazon und andere Shops empfehlen mir mit einer doch ganz brauchbaren – und wenn man berücksichtigt, dass die Ergebnisse nach einer Geschenksuche öfters irgendwie „dejustiert“ sein können, dann fast 100%igen – Trefferquote ständig, was ich vielleicht noch so alles gerne kaufen würde. Im Ikea-Newsletter bekomme ich die Angebote der mir nächstgelegenen Filiale, ja selbst der Metzger um die Ecke führt in seinem Kopf eine Datenbank und weiß bei seinen Stammkunden oft genug schon beim Betreten des Ladens, was die kaufen wollen. Ja Himmel, schon vor 15 Jahren hat es mein Lieblingspizzadienst ganz ohne Computer geschafft, bei einem Anruf von mir auf unnötiges Blabla zu verzichten und das Gespräch direkt mit der einzig relevanten Frage zu beginnen: „Hallo, die 71, groß, mit extra Käse und eine Flasche Cola, wie immer?“. Das wird höchstens noch durch die eine oder andere Servicekraft im Old Murphy’s getoppt, bei denen ich inzwischen wortlos meinen Dublin-Burger mit Salat statt Pommes bestellen könnte.

Aber die Bahn schickt mir weiterhin eCoupons, die mir nichts bringen… wollen die nicht? Können die nicht? Oder wollen die einfach ihre Kunden verschaukeln?

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Christian Voßen

Als BC-50-Kunde bezahle ich für einen Sparpreis mehr als ein BC-25-Kunde, denn der/die bekommt 25% Rabatt drauf, ich bekomm gar keinen Rabatt auf Sparpreise, da frage ich mich auch, wer diese glorreiche Geschäftsidee hatte, Menschen, die mehr für ihre Bahncard zahlen, weniger Möglichkeiten zu deren Einsatz zu lassen.